Teil 2

Sternstunden

T+0:54:10


"Ist das nicht überwältigend?", flüsterte Bob Zubrin beim Anblick der blauen Erdkugel. Die Frage war eigentlich überflüssig, denn jeder an Bord war bereits überwältigt. Sie hatten die Erde verlassen. Das spürbarste Zeichen dafür war die plötzlich eintretende geringere Schwerkraft. Jörg Schabeck saß auf dem Sitz des Commanders und übernahm die Steuerung des Schiffes. Langsam machte sich bei Nataliya die Aufregung der vergangenen Stunde bemerkbar. Sie stand schweißgebadet auf und stakste in der ungewohnt geringen Schwerkraft zu einer der Toiletten. Sie fühlte eine starke Übelkeit in sich aufsteigen. Anderen ging es ähnlich. Inzwischen hatte das Navigationssystem den Kurs zum Mars errechnet. Das Bugradar suchte intensiv nach Satelliten oder Weltraumschrott. Solange sie den erdnahen Raum nicht verlassen hatten, bestand die Gefahr einer Kollision. Bis dahin mussten sie auch eine relativ geringe Geschwindigkeit beibehalten. In 40.000 Kilometer Höhe ließen sie dann die Kräfte der Mars Discovery frei. Auch das geschah schrittweise, weil sonst der Andruck jedes Besatzungsmitglied zu Mus verarbeitet hätte. Josh sendete ein stark gerafftes Funksignal an einen Amateurfunksatelliten der AMSAT. Das Signal war verschlüsselt und gerade mal acht Millisekunden lang. Der AMSAT-Satellit sendete es umgehend weiter. In zahlreichen Funkempfängern auf der Erde war eine kurze knackende Störung zu hören. In der Scheune bei Stadthagen wurde der Impuls aufgefangen und von einem Computer zunächst verlangsamt. Zu dieser Zeit saß Felix Kalkum von der Bodencrew am Empfänger. Er hatte das Signal zu exakt diesem Zeitpunkt erwartet. Felix tippte einen Code ein, der sich stündlich änderte. Die Nachricht erschien in Klartext. "Sie sind auf dem Weg!", rief er den anderen zu. Zum zweiten mal in dieser Nacht brach Jubel aus.


T+4:15:42

Die Erde war zu einem blauen Punkt von der Größe eines Fußballs geschrumpft. Die Mars Discovery raste mit 534.000 Kilometer pro Stunde ihrem Ziel entgegen. Für den größten Teil der Besatzung war es an der Zeit, die erste Nacht an Bord zu schlafen. Heike Wierzchowski und Pascal Lee, die während der Startphase versucht hatten ein wenig Ruhe zu finden übernahmen das Schiff. Bis jetzt war ihr Flug ohne Zwischenfälle verlaufen. Bevor der Rest der Besatzung schlafen ging, nahm sie die erste Mahlzeit an Bord ein. Auf dem Speiseplan stand Chicken Jassa, das Josh zubereitet hatte.

Erst jetzt merkten die meisten, wie hungrig sie waren. Der Rest der "Nacht" verlief ruhig. Vor ihnen lag die unendliche Leere des Weltalls. Vor der Kulisse der Sterne bemerkten sie nicht, wie schnell sie sich durch den Raum bewegten. Auf der Erde würde gerade der neue Morgen anbrechen, aber auch das bemerkte die Crew der Mars Discovery nicht. Sie waren allein. Zwölf Frauen und Männer, die sich inzwischen weiter von ihrer Wiege fort gewagt hatten, als je ein Mensch zuvor.


T+48:09:04

Auch NORAD hatte das geraffte Funksignal aus dem All empfangen. Die Profis für die Luftraumüberwachung kamen sehr schnell dahinter, dass es sich um ein komprimiertes Signal handelte. Sie konnten es jedoch nicht entschlüsseln. Das lag zum einem an dem verwendeten Code, der dadurch schwieriger wurde, dass die Nachricht in der Sprache der Diola, dem Stamm in Gambia, dem Josh angehörte, verfasst war. Das wusste bei NORAD aber niemand. Auch die Dechiffrierexperten der CIA in Langley bissen sich seit zwei Tagen die Zähne aus, ohne einen Schritt weiter zu kommen. Die NSA (National Security Agency) war ebenfalls dran, aber auch hier kam nicht viel heraus. Ein Auswerter hatte aus dem Signal den Satz "Ich vögele gern mit Suppentellern" entschlüsselt. Das war freilich nichts was verwertbar gewesen wäre, sorgte aber immerhin für Erheiterung. Sie wussten nur, dass aus dem erdnahen Raum ein Funksignal gekommen war, das besagte, dass dort draußen jemand mit abnormen sexuellen Fantasien rumschwirrte. Aber sie wussten, dass dort jemand war.


T+62:34:56

Volker Mang und Sven Knuth saßen vor dem Monitor des Teleskops der Mars Discovery. An Bord befand sich ein 305 Millimeter Spiegelteleskop, der über eine CCD-Kamera die eingefangenen Bilder in die Zentrale des Schiffes weiterleitete. Auf dem Monitor stand der Mars. Man konnte bereits viele Details auf der Oberfläche ausmachen. Versonnen sahen sie die Welt an, auf der sie landen wollten.

In der Erdumlaufbahn richtete der Röntgensatellit Chandra sein Auge in Richtung der Mars Discovery aus. Die Astronomen des Chandra-Teams wollten den Himmel nach weit entfernten Röntgenquellen durchforsten. Sie bekamen jedoch nichts zustande, weil ein diffus leuchtendes Objekt die Sicht auf diesen Himmelsabschnitt versperrte. Das Objekt war sehr nahe und absolut nicht identifizierbar. Was die Astronomen nicht wissen konnten war, dass die Mandelbrotgeneratoren der Mars Discovery "Abgase" erzeugten. Das austretende Lichtfeld ionisierte Teilchen des Sonnenwindes und brachte diese dazu Röntgenstrahlung abzugeben. Also sahen sie eine leuchtende Wolke, die sich mit hoher Geschwindigkeit von der Erde entfernte. Das Team veröffentlichte die Entdeckung umgehend, was auch der NSA nicht verborgen blieb. Dort zählte man 2 + 2 zusammen und verglich die Daten des Funksignals mit der Position und dem Kurs der Wolke. Der dienst habende Agent hob den Telefonhörer ab und wählte die Nummer seines Vorgesetzten. "Sir, wir haben den Burschen, der im Weltall Suppenteller vögelt.", meldete er. Die Meldung ging weiter an NORAD, wo sich weitere Experten mit dem Phänomen befassten. Ein junger Offizier hatte dort die Idee eine Verbindung mit den seltsamen Radarsignalen über der Nordsee herzustellen. Man verglich die Aufnahmen der F-22 mit den Chandra-Bildern. Wenig später klingelte das Telefon im Weißen Haus in Washington. Nur eine knappe Stunde später verständigte der nationale Sicherheitsberater den Präsidenten. "Mr. President, wir haben ein unbekanntes Raumschiff, das sich offenbar auf dem Weg zum Mars befindet!" Bill Clinton schien nicht ganz zu begreifen, was man ihm mitteilen wollte. "Haben Sie schon einmal gehört, das es verboten ist, den Präsidenten der USA zu verarschen?", fragte er seinen Berater. "Mr. President, es liegt mir fern Sie zu verarschen, Sir. Aber dort ist ein unbekanntes Flugobjekt, das sich schnell in Richtung Mars bewegt. So wie es bislang aussieht, ist es am 02. Juni über dem Nordmeer gestartet. Das ist alles, was wir bis jetzt wissen. Ach ja, und es hat ein Funksignal gesendet." "Und was haben sie gesagt?", wollte der Präsident wissen. "Ähem, ja also Sir nach allem, was wir bislang entschlüsseln konnten, na ja also wir haben den Code noch nicht geknackt. Aber der Satz lautet, verzeihen sie bitte Sir, ‚Ich vögele gerne mit Suppentellern'."


T+80:08:15

An Bord der Mars Discovery hatte sich inzwischen eine gewisse Routine eingestellt. Die Crew hatte keine Ahnung, was dem U.S.-Präsidenten seit 18 Stunden Kopfzerbrechen bereitete. Selbst wenn, würde das zurzeit keinerlei Auswirkungen auf ihre Mission haben. Die Amerikaner wussten nicht, was das flog und schon gar nicht, woher es kam. Die Crew fand es wesentlich interessanter den Mars durch das Teleskop zu betrachten. Sie spekulierten schon jetzt über ihren Landeplatz im Valles Marineris. Der 4000 Kilometer lange Krustenbruch war gerade deutlich auf dem Monitor erkennbar. Westlich davon zeichneten sich die Riesenvulkane in der Tharsisregion ab. Im Missionsplan war vorgesehen mit der Mars Discovery einen Ausflug zum Olympus Mons zu machen und auf dem Gipfel zu landen. Sie würden 27 Kilometer über der Marsoberfläche stehen. Auf dem höchsten bekannten Berg im Sonnensystem würde die Flagge der Marssociety wehen! Und sie würden auf dem Roten Planeten nach Leben suchen. Wenige Tage vor dem Start hatte die amerikanische Weltraumbehörde NASA verkündet, das es auf dem Mars riesige Mengen Wassereis gäbe. Markus Landgraf hatte ein Experiment namens MILDI (Mars Imunoassay Life Detection Instrument) an Bord gebracht. MILDI verwendete Antikörper und war eigentlich für Markus geplante Mission in der F.M.A.R.S. vorgesehen. Jetzt würde es direkt auf dem Mars zum Einsatz kommen. ‚Was für ein Sprung', dachte Markus, ‚Wir haben eine ganze Generation von Forschern einfach übersprungen. Was heißt eine Generation. Niemand konnte sagen, ob die Menschheit den Mandelbrotgenerator überhaupt je erfunden hätte.' Markus Landgraf hatte während des Fluges nicht sehr viel zu tun. Deshalb verbrachte er viel Zeit damit, seine Gedanken aufzuschreiben. Jedes Besatzungsmitglied hatte ein eigenes Notebook und einen eigenen Palmtop. Die Geräte waren so konfiguriert, das sie überall an Bord Verbindung zum Netzwerk des Schiffes hatten. Markus schrieb gerade seine letzten Gedanken auf. Er hatte sich vorgenommen von dieser Reise ein persönliches Tagebuch mit nach Hause zu bringen. Er wollte diese Erinnerungen festhalten. ‚Zu Hause', dachte er, ‚wo wird das wohl zukünftig sein? Wird das noch die Erde sein oder finde ich auf dem Mars meine Heimat?' Die Mission war von Anbeginn so ausgelegt, dass eine dauerhafte Besiedlung des Planeten vorgesehen war. Sie würden eine Station aufbauen, die dann kontinuierlich wachsen sollte. Irgendwann, in nicht allzu ferner Zukunft, sollte die Marsansiedlung autark sein. Das zweite Schiff sollte bereits Anlagen zur Produktion von Baumaterialien und weiteren Schiffen bringen. Mit dem ersten Versorgungflug der Mars Discovery würden weitere Maschinen zum Mars gebracht. In den letzten Jahren waren umfangreiche Studien darüber gemacht worden, welche Nutzpflanzen in den Gewächshäusern auf dem Mars am besten gedeihen könnten. Auch über die politische Zukunft der Marskolonie hatte man in Mars Society bereits nachgedacht. Sobald man auf der Erde die Existenz der Kolonie bekannt gab, sollte auch die UPA (United People of Ares) ausgerufen werden. Es würde ein Schock für die Erde werden, aber gleichzeitig ein Signal für den Aufbruch der Menschheit in den Weltraum darstellen.


T+107:32:26

In Stadthagen wurde alles für den Start des Mars Messengers vorbereitet. Dieser glich äußerlich dem alten Fractal Flyer, verfügte aber über alle Einrichtungen eines Telekommunikationssatelliten. Mars Messenger sollte in der Nacht auf eine geostationäre Umlaufbahn um die Erde geschossen werden und fortan für die Kommunikation mit der Mars Discovery und der späteren Kolonie sorgen. Dabei wandten die Techniker einen Trick an, um die Entschlüsselung der Funksprüche weiter zu erschweren. Das eingehende Signal wurde dabei zunächst gespeichert und umcodiert. Nach einem zufällig bestimmten Zeitraum zwischen einer und vier Stunden wurde das umcodierte Signal dann erneut komprimiert und an den Empfänger gesendet. Die Zeitverzögerung wurde nur außer Kraft gesetzt, wenn ein Notsignal hereinkam. Der Messenger würde direkt vor der Scheune starten. Aufgrund seiner geringen Größe und der hohen Geschwindigkeit war eine Ortung nahezu ausgeschlossen. Das Team hatte dem Triebwerk außerdem eine "Brille" aufgesetzt, die das Lichtfeld weitgehend unsichtbar machte. Die Brille bestand aus einem zirkularen Polfilter, wie er auch in der Fotografie verwendung fand. Dieser war drehbar hinter der Spitze des Mandelbrotgenerators angebracht und stellte sich je nach Triebwerksleistung auf eine Position, die das Licht farblos erscheinen ließ. Nur ein leichtes Flimmern verblieb, das aber schon aus einer Entfernung von 50 Metern nicht mehr sichtbar war. Alle zukünftigen Marsschiffe sollten mit dieser Technik ausgestattet werden. Auch dem Problem der Radarortung hatten man sich angenommen. Auf der Innenhaut des zweiten Schiffes wurden Polyurethanwaben angebracht, die ein auftreffendes Radarsignal in alle möglichen Richtungen ablenkten. Nur ein tausendstel der auftreffenden Radarenergie kam damit wieder am Sender an. Um 00:15h traten Felix Kalkum und Eckie Becker vor die Scheune. Auf einem kleinen Wagen ruhte der Mars Messenger. Um 00:30h kam die Startfreigabe. Das kleine Raumschiff hob zunächst wie ein Senkrechtstarter ab, bis es 50 Meter Höhe erreicht hatte. Das stellte es sich vertikal und schoss in den Nachthimmel. Im Gegensatz zur Mars Discovery war kein Leuchten am Himmel zu sehen. Das kleine Schiff war einfach verschwunden. Vierzig Minuten später bremste es in 34.000 Kilometer Höhe über der Erde ab. Auf 36.000 Kilometer Höhe schalteten sich die Triebwerke ab. Zwei faltbare Antennen wurden ausgeklappt. Eine richtete sich auf die Erde, die zweite zeigte in Richtung der Mars Discovery. Unmittelbar darauf sendete der Satellit zwei komprimierte Signale aus. Eines in Richtung Erde und eines in Richtung der Marsreisenden. Das zweite Signal wurde nur auf der Mars Discovery aufgefangen. "Viele Grüße von der Erde. Eure Leitung steht.", war dort zu lesen. Das erste Signal verursachte eine winzige Störung auf zahlreichen Funkempfängern. Niemand beachtete es. Außer den Spezialisten der NSA und NORAD. Die hatten ihre Empfänger so programmiert, das bei Eingang eines komprimierten Signals aus dem All ein Alarm ausgelöst wurde. Diesmal war man mit der vermeintlichen Entschlüsselung nach Sekunden fertig. "Die Erdnußbutter verprügelt Flüsse.", lautete der Inhalt der Meldung. Die Experten schüttelten den Kopf. Was hatte dieser Unsinn zu bedeuten? Sie wussten, dass irgendein Sinn dahinter steckte, kamen aber einfach nicht weiter. Der wahre Inhalt der Meldung lautete "Satellit auf Position und einsatzbereit.", was in Stadthagen mit großer Zufriedenheit aufgenommen wurde. In den USA hatten sich inzwischen zahlreiche Raumfahrtzeitschriften der seltsamen Beobachtung von Chandra angenommen. Auch hier saßen Experten, die in der Lage waren, die Ergebnisse des Röntgensatelliten zu interpretieren. Sky and Telescope war das erste Magazin, das darüber berichtete. "Unbekanntes Raumschiff auf dem Weg zum Mars?" lautete die Frage auf der Titelseite. Darunter ein Bild der Chandra-Aufnahme. In den kommenden Tagen stürzte sich die Presse weltweit auf diese Meldung. Wilde Spekulationen machten die Runde. Viele vermuteten, dass die Chinesen ein Raumschiff entwickelt hatten, das derart technisch überlegen auf dem Weg zum Roten Planeten war. Das Internet quoll über vor Spekulationen. Es entwickelte sich innerhalb kürzester Zeit eine regelrechte Hysterie. Rechte Kreise in den USA forderten sogar einen Militärschlag gegen die chinesischen Raumfahrtzentren, um zu vermeiden, dass die Volksrepublik mit solchen Superschiffen die Vereinigten Staaten angriff. Auch Berichte über Ausserirdische häuften sich drastisch. Erich von Däniken hatte plötzlich wieder Hochkonjunktur und war Gast in zahllosen Talkshows. Um die Wogen zu glätten, sah sich die amerikanische Regierung gezwungen, die wenigen bekannten Fakten zu veröffentlichen. Damit heizte sie jedoch gewisse Kreise weiter an. Der Mars Society kam diese Panik eher zugute, weil dadurch diejenigen, die zu einer systematischen Aufklärung in der Lage gewesen wären, zusätzlich beschäftigt wurden.


T+542:56:00

Der Mars war inzwischen mit bloßen Auge deutlich zu sehen, während die Erde zu einem kleinen blauen Punkt in der Weite des Alls geschrumpft war. Die Crew der Mars Discovery durchforstete mit dem Teleskop systematisch das vorgesehene Landegebiet. Noch waren keine wirklichen Details auszumachen. Elf Tage lagen auf der Reise noch vor Ihnen. Chandra hatte weiterhin sein Auge auf das Schiff gerichtet. Aus den Beobachtungen des Röntgensatelliten ließen sich Kurs und Geschwindigkeit des unbekannten Schiffes präzise errechnen. Alle möglichen Thesen über den Antrieb des Marsschiffes machten die Runde. Die Experten und Pseudoexperten vermuteten einen atomaren Antrieb. Und der Ursprung des Schiffes wurde weiterhin hartnäckig der VR China zugeschrieben. Die Rotchinesen dementierten wahrheitsgemäß alle Vermutungen, aber niemand glaubte ihnen. Im amerikanischen Fernsehen wurden Berichte über angebliche Superwaffen gesendet, mit denen das Reich der Mitte den "kapitalistischen Erzfeind" jederzeit in Schutt und Asche legen konnte. Wahrheiten wurden eben von den Medien gemacht. In den USA und Westeuropa wurden Waren aus China boykottiert. Unter dem Druck der Medien verlangten westliche Regierungen von den Chinesen eine umfassende Stellungnahme. Die sprachen nach wie vor die Wahrheit und boten bei der Aufklärung ihre uneingeschränkte Hilfe an. Das wurde von der Presse sofort als Tarnmanöver hingestellt. Um die Bevölkerung zu beruhigen versetzten erst Großbritannien und dann auch die Vereinigten Staaten ihre Streitkräfte in erhöhte Alarmbereitschaft. Jetzt wurden auch die Chinesen sauer und taten es den Briten und Amerikanern gleich.


T+730:00:00

Während auf der Erde die Gemüter kochten, bereitete die Mannschaft der Mars Discovery sich auf die Landung vor. In 20 Stunden würde sie das Bremsmanöver einleiten und in einen hohen Orbit um den Roten Planeten einschwenken. Von hier aus würden sie langsam in einer spiralförmigen Bahn auf einen 200 Kilometer-Orbit sinken. Aus dieser Höhe würden sie die Landestelle auswählen und den Terra Messenger, das Gegenstück zu dem Kommunikationssatelliten in der Erdumlaufbahn aussetzen. Der Mars hatte inzwischen die Größe eines Fußballes erreicht. Und er rückte wahrnehmbar näher. Beim Anblick der fremdartigen Wüste überkamen manchen an Bord Zweifel, ob er dort wirklich ein Jahr oder womöglich sogar länger verbringen wollte. Jaqueline Myhrre hatte aus den Musik-CD's der Crewmitglieder eine Art Radioprogramm gestaltet. Im Moment lief gerade U2. It's a beautyful day lautete der Titel. Robert Zubrin tanzte durch die Kabine und pfiff den Song mit. Er klopfte Schabeck auf die Schulter und sagte fröhlich "Hey Mann, die Jungs haben recht. Heute ist mal wieder ein wirklich schöner Tag, nicht wahr?" "Ja, ein anderer schöner und unglaublicher Tag. Manchmal glaube ich immer noch ich träume. Aber das ist tatsächlich der Mars und wir sind tatsächlich fast da.", antwortete Jörg Schabeck. "Ja Mann!", grinste Zubrin ihn an, "ja, wir sind echt die Größten." Er blickte in Schabecks besorgtes Gesicht und boxte ihm auf den Oberarm. "Mann, ihr Germans müsst echt noch lernen, euch selbst zu feiern. Ihr seid immer so bierernst und korrekt. Dabei steckt ihr mitten in der geilsten Party überhaupt!" "Noch sind wir nicht unten.", brummte Schabeck. Bob Zubrin drehte sich um und winkte ab. Er war seit dem Start in Hochstimmung und genoss jeden Tag der Reise, wie ein Kind. Nataliya drehte sich zu Schabeck um und sagte auf Russisch "Ja duma ju te durak!", (Ich glaube, du bist ein Blödmann). Dann lachte sie ihn an (oder aus?) und meinte "Bob hat recht, wir sind echt ein rattenscharfer Verein. Wenn wir unten sind gibt's erst mal richtig Party." Dem konnte Schabeck absolut nicht widersprechen, aber solange sie nicht gelandet waren, machte er sich eben Sorgen. Manfred Hettmer kam gerade von einer Inspektion des Rovers zurück. "Das Ding ist topfit und will endlich zur Ralley Marse Carlo antreten. Ich kann's kaum erwarten. Hat eigentlich einer eine Straßenkarte mitgenommen?" "Der Terra Messenger ist auch in bester Laune.", vermeldete Pascal Lee. Pascal sah etwas verunstaltet aus, seit Heike Wierzchowski sich als Bordfriseurin an ihm versucht hatte. In der niedrigen Schwerkraft an Bord des Schiffes waren Feinarbeiten, wie ein Haarschnitt etwa, ein schwieriges Unterfangen. Pascal nahm es gelassen. Das sei halt die gängige Marsmode, ließ er wissen. "Dann haben ja wenigstens die Mikroben was zu lachen, wenn du sie entdeckst", sagte Schabeck zu ihm.


T+750:10:28

Die vorderen Mandelbrotgeneratoren bremsten die Mars Discovery seit zehn Minuten sanft ab. Die Hecktriebwerke waren abgeschaltet, so dass Chandra nur noch die Schübe der Bremstriebwerke als kaum wahrnehmbares Leuchten aufnahm. "Sie bremsen ab!", meldete der Dienst habende Offizier bei NORAD eine gute Stunde später. Man konnte die Manöver des unbekannten Schiffes inzwischen relativ gut deuten. Noch immer war man bei der Identifizierung des UFO's kein Stück weiter gekommen. Die Amerikaner waren sich inzwischen sicher, dass das Schiff irgendwo aus Deutschland gekommen sein musste. Es hatte mit Sicherheit die deutsche Nordseeküste überflogen, das wusste man aus Berichten von Schiffen, die in die Wassermassen gefahren waren, welche die Mars Discovery beim Tiefflug über das Meer aufgewühlt hatte. Von den Deutschen wusste man mit Sicherheit, dass das Schiff von keiner staatlichen Organisation kam. Man hatte aber keine Spur, von wo es gestartet war. Die Chinesen hatten jedenfalls nichts damit zu tun. Aber das war der Öffentlichkeit einfach nicht mehr klar zu machen. CNN hatte Satellitenbilder einer angeblichen Fabrik für Superwaffen in der Mandschurei gesendet. Die CIA wusste, dass dort Eisenbahnschienen produziert wurden. Davon lagen dort jede Menge herum. CNN bezeichnete die länglichen Gebilde als Startrampen und brachte sogar eine Computeranimation, in der eine chinesische Rakete, die mit einem Hochleistungslaser bewaffnet war, das Empire State Building und die Freiheitsstatue in New York wegpustete. Die Bilder waren so gehalten, dass sie gezielt Erinnerungen an den 11.September 2001 wach riefen. Auf Panikmache verstand man sich im amerikanischen Fernsehen wirklich blendend.

Touchdown

T+813:01:58


Terra Messenger entfernte sich scheinbar langsam von seinem Mutterschiff. Die Antennen klappten automatisch aus. Das kleine Schiff schwenkte in die vorgesehene Position und meldete sich bei seiner Mutter ab. Die Mars Discovery sank tiefer und näherte sich dem Mars an. Der Planet stand übermächtig groß "über" ihnen, da sich das Schiff in Rückenlage befand. Nataliya drehte das Schiff in Bauchlage. Josh sendete ein Kurzsignal an die Erde, das über die beiden Kommunikationssatelliten weitergeleitet wurde. "Landevorbereitungen abgeschlossen. Mars Discovery ist auf dem Weg."

"Die Stoßzähne des Sandes sind aus Wolken.", las der NORAD-Auswerter eine Stunde später vor. "Die verarschen uns doch ganz mächtig!" brüllte dessen Vorgesetzter und trat nach einem Stuhl. In der Marsumlaufbahn bremste die Mars Discovery weiter ab. Noch 150 Kilometer bis zur Oberfläche. Die Atmosphäre des Roten Planeten wurde mehr und mehr spürbar. Das Schiff begann zunächst leicht zu vibrieren. Etwa 70 Kilometer über der Oberfläche gingen die Vibrationen in ein deutlich spürbares Rütteln über, das zunehmend stärker wurde. Nataliya fing das Schiff ab und ging in ein leicht abwärts geneigten Geradeausflug über. Dabei bremste sie auf Mach 10 herunter. Der Olympus Mons dominierte den Blick aus dem Bugfenster. Der riesige Vulkan schien auf das Schiff zuzurasen. Eine leichte Rechtskurve über der Gipfelcaldera führte die Mars Discovery auf den Tharsis Rücken zu. In 50 Kilometer Höhe brach Nataliya den Sinkflug zunächst ab und ging in den Geradeausflug über. Mit kurzen Stößen aus den Bugtriebwerken verringerte Nataliya die Geschwindigkeit auf Mach 3. Zwanzig Minuten später ragten die Riesenvulkane des Tharsis-Rückens vor ihnen auf. Sie überflogen den Ascraeus Mons. Wenig später lenkte Nataliya das Schiff nach Süden, in Richtung Noctis Labyrithus. Über dem Schluchtengewirr angekommen ging sie in einen 30° Sinkflug über. Mit Mach 1,8 ging es weiter nach Osten. Sie hatten noch etwa 500 Kilometer über den Schluchten des Labyrinthes vor sich. Der Sinkflug wurde in einer Höhe von 15 Kilometer gestoppt. Aus dem Bug der Mars Discovery lugte eine Videokamera hervor, die kontinuierlich Bilder in das Schiffsinnere übertrug. Dann erreichten sie Thitonium Chasma, den ersten Abschnitt des Valles Marineris. Sie blickten in die gewaltige Schlucht hinab. Vor ihnen lagen die potentiellen Landeplätze.

Schabeck beschloss nach einer kurzen Beratung mit Bob und Markus bis zum Melos Chasma weiter zu fliegen und dort nach einer geeigneten Landestelle zu suchen. Das bedeutete weitere 700 Kilometer Flug. In den letzten Minuten war es in der Kabine absolut still gewesen. Alle starrten auf ihre Monitore, zutiefst gefangen von der unter ihnen liegenden Landschaft. Über dem Melos Chasma ließ Nataliya die Mars Discovery kreisen. Sie suchten nach einer ebenen Fläche von mindestens 300 Meter Durchmesser. Erstaunlich war, das der Boden des Melos Chasma sehr hügelig war. Pascal Lee deutete auf eine Stelle, die brauchbar erschien. "Wie wäre es dort? Das scheint ein nettes Plätzchen zu sein." Schabeck nickte. Die annähernd ovale Ebene schien frei von größeren Felsbrocken zu sein. Die Länge des Abschnitts betrug etwa 1000 Meter, die Breite lag bei rund 400 Meter. "Warum nicht dort?", fragte er in die Runde. Bob Zubrin nickte. "Scheint gut auszusehen.", bemerkte er.

Schabeck wandte sich an Nataliya "Bring uns da runter. Dort versuchen wir es." "Da, harasho!", antwortete die Pilotin, ohne zu bemerken, dass sie vor Aufregung russisch sprach. Das Schiff sank rasch ab, wobei 5 Kilometer über dem Boden die Landeteller ausgefahren wurden. In jedem der 5 Teller befand sind ein kleiner Mandelbrotgenerator. Diese Generatoren sollten das Gewicht, das nach der Landung auf der Marsoberfläche lasten würde verringern. So sollte verhindert werden, dass das Schiff in den Boden ein sank. Auf dem Kontrollbildschirm erschien die Meldung, dass die Landebeine ausgefahren und arretiert waren. Es hätte auch noch die Meldung erscheinen müssen, dass die Mandelbrotgeneratoren in den Landetellern sich automatisch eingeschaltet hatten. Die Anzeige blieb aus, ebenso wie die Generatoren. In ihrer Anspannung übersah Nataliya diesen Umstand völlig. Auch Sven Knuth und Volker Mang, die die Landung von ihren Plätzen aus mit überwachten, fiel das Ausbleiben der Meldung nicht auf. Die Mars Discovery befand sich noch 200 Meter über dem Boden. Endlose Zeit schien zu vergehen bis die Landebeine Bodenberührung hatten. Dann stand das Schiff still. "Wir sind da." Leise und ungläubig war die Stimme von Bob Zubrin zu hören.

Er wollte gerade weiter sprechen, als ein Bersten in die Kabine drang. Gleichzeitig ging ein Ruck durch das ganze Schiff und der Kabinenboden sackte nach links weg. Ein zweites Bersten und das Schiff kippte so heftig nach vorn, dass mehre Beatzungsmitglieder mit den Köpfen gegen die Konsolen schlugen. Schabeck fühlte Panik in sich aufsteigen und schrie "Was ist hier los?" Dann wurde es ruhig. In zwanzig Grad Schräglage war das riesige Raumschiff zur Ruhe gekommen. "Was war das?", flüsterte Jaqueline Myhrre. Alle Augen waren ängstlich an die Decke gerichtet. Die Szene erinnerte an ein U-Boot, in dem die Besatzung darauf wartete, das Wasserbomben fielen. Nur Nataliya blickte starr aus dem Bugfenster. Wortlos deutete sie mit dem Finger aus dem Fenster. Bevor sie etwas sagen konnte, sahen auch die anderen, was sie entdeckt hatte. Teigiges Wasser schob sich vor den Fenstern aus dem Marsboden. Unmengen von Wasser stiegen im Zeitlupentempo über die Mars Discovery hinweg. "STARTEN, STARTEN!", brüllte Schabeck und aktivierte mit fliegenden Händen die Triebwerke. Es krachte als sich das Schiff vom Boden löste und die Landebeine von der Gewalt der Triebwerke aus dem weichen Morast gezogen wurden. Das Schiff kam frei und hob langsam wieder ab. In 50 Metern Höhe stoppte Schabeck. Die Mars Discovery stand ruhig über dem Boden.

"Alle Systeme checken, Schadensmeldungen? Seid ihr alle in Ordnung?", fragte Schabeck in die Runde. Volker Mang blutete heftig aus einer Platzwunde an der Stirn, fuhr aber verbissen mit der Überprüfung der Systeme fort. Sven Knuth hatte als erster Verbandszeug zur Hand und versorgte die Wunde. Einige andere würden böse Beulen davongetragen haben. Sonst schienen alle okay zu sein. Nach und nach meldete jeder den Zustand der von ihm überprüften Systeme. Alles schien zu funktionieren. Nur Nataliya sagte nichts. Nach einer Weile drehte sich die Ukrainerin in ihrem Pilotensitz um. "Die Generatoren in den Landetellern waren nicht eingeschaltet. Wir haben mit unserem vollen Gewicht aufgesetzt", erklärte sie den anderen. "Hast du die Klarmeldung auf dem Monitor gesehen?", erkundigte Josh sich. "Ich weiß nicht. Nein, ich glaube nicht." Josh nahm einen Testlauf der Landeprozedur vor. Die Einschaltanzeige für die Generatoren wurde nicht angezeigt. Er rief den REXX-Compiler auf. Die Mars Discovery verwendete OS/2 Warp von IBM als Betriebssystem. Der Programmabschnitt zur Aktivierung der Landegeneratoren war als Remark gekennzeichnet und konnte somit gar nicht laufen. Die Änderung kostete Josh nur ein paar Sekunden. Er fühlte sich schuldig, weil er das vor dem Abflug nicht bemerkt hatte. Er hatte nach dem Testlauf für die Landebeine noch an der Landeprozedur gearbeitet. Im letzten Check vor dem Start waren die Systeme manuell getestet worden. Ein kleiner Fehler, der sie fast das Leben gekostet hätte. Er ließ die Prozedur erneut durchlaufen. Diesmal wurden die Generatoren eingeschaltet und auch die erwartete Meldung erschien auf dem Bildschirm.

"So ein Mist, da bucht man eine Luxusreise zum Mars und das erste, was einem geboten wird, ist ersaufen zu dürfen!", beschwerte sich Bob Zubrin. Der Mars hatte ihnen seine erste und sicher nicht letzte Überraschung serviert. So nahe am Äquator hätten sie alles erwartet, nur kein Wasser. "Okay, wir fliegen noch einmal 100 Kilometer nach Osten. Dort versuchen wir es noch einmal", schlug Schabeck vor. "Aber erst mal koche ich uns einen Kaffee", warf Heike ein, "Sonst bauen wir nachher die nächste Scheiße." "Was macht die emanzipierte Frau auf dem Mars?", fragte Pascal, "Kaffee kochen." Heike hatte gerade die Kaffeepackung zur Hand genommen. Auf Pascal Bemerkung hin drehte sie sich zu ihm um, knallte ihm den Kaffee vor die Brust und erwiderte "Falsch Mr. American Obermacho, sie überlassen das Urmenschen wie dir." Pascals Gesicht zeigte einen selten dämlichen Ausdruck. Plötzlich lachten alle los. Nur der arme Kerl mit der Kaffeepackung im Arm stand da, wie der Depp vom Dienst.

Nach dem Kaffee hatten sich alle wieder einigermaßen im Griff. Nataliya schwenkte die Nase des Schiffes nach Osten und stieg auf 1000 Meter. Die Reise begann von neuem. Nach einiger Zeit hatten sie einen neuen Landeplatz ausgemacht. Zum zweiten mal ging die Mars Discovery in den Sinkflug über. Diesmal lief die Landeprozedur glatt durch. Kaum merklich setzte das Raumschiff auf. Die Crew lauschte atemlos auf jedes verdächtige Geräusch. Aber nichts geschah. Die Mars Discovery stand still und friedlich in der weiten Ebene. Sie waren am Ziel. Einer nach dem anderen atmete hörbar aus. Bob Zubrin ging an den Kühlschrank und holte zwei Flaschen Moet & Chandon heraus. "Auch wenn's doof klingt, aber jetzt will ich einen nehmen. Freunde, diesmal sind wir da! Die ersten Menschen stehen auf dem Mars." Die Korken knallten und die Besatzung drängte sich mit ihren Bechern um den Präsidenten der Mars Society. "Auf euch alle!", prostete Jörg Schabeck seiner Besatzung zu, "ihr seid ein tolles Team." Josh stellte seinen Becher ab und setzte eine Meldung an den Terra Messenger ab. "Viele Grüße vom Mars, wir sind da!"

"Die Haut des Feuers klingt Fieber", verkündete der Auswerter bei NORAD. "Diesmal kann ich euch sagen, was der Mist bedeutet: Unsere Freunde sind gelandet. Der erste Mensch auf dem Mars wird also kein Amerikaner sein", erwiderte der dienst habende Kommandant. "Melden Sie das dem Weißen Haus.", fügte er hinzu. In Stadthagen herrschte eine völlig andere Stimmung. Klaus Totzek und Björn Grieger tanzten miteinander, Zigarren qualmten und Sektkorken knallten. Im Hintergrund stand das halbfertige zweite Raumschiff der Mars Society. "Glückwünsche von uns allen!", funkte Felix Kalkum zurück, "wie ist eure Position?" Jetzt gingen einige Funksprüche hin und her. Der Auswerter bei NORAD schlug verzweifelt mit der Stirn auf die Tischkante. Nichts, was er bisher entschlüsselt hatte ergab irgendeinen Sinn.

Fußspuren

Sol 1

Auf der Mars Discovery holte Jörg Schabeck zwölf Umschläge aus dem Schrank. Jeder Umschlag enthielt den Namen eines Crew-Mitgliedes. Jörg fächerte die Umschläge auf und hielt sie den anderen hin. "Jaqueline, du ziehst den ersten", bestimmte er. Jaqueline Myhrre trat vor und sah sich in der Runde um. Sie würde gleich den Namen des ersten Menschen ziehen, der den Mars betreten würde. Sie zögerte eine Weile, wollte zuerst einen Umschlag aus der Mitte greifen, schwenkte dann mit der Hand nach links und griff dann doch in die Mitte. Sie hielt Bob Zubrin den Umschlag hin. Ihre Hand zitterte. Bob nahm den Umschlag und öffnete ihn. Er las den Namen und blickte in die Runde. Einen nach dem anderen sah er an, ohne dass man eine Gefühlsregung in seinem Gesicht erkennen konnte. Als sein Blick auf Heike fiel lächelte er und breitete seine Arme aus. "Ich begrüße die erste Frau auf dem Mars. Heike, lass dich umarmen." "Ich? Du meinst, da steht mein Name?" Sie hatte sich während des Fluges immer vorgestellt, dass Bob Zubrin selbst oder Jörg Schabeck der erste sein würde. "Ja ja, dein Name", Zubrin stand noch immer lächelnd mit ausgebreiteten Armen da. Heike machte einen Schritt auf ihn zu und verlangte "Zeigen!" Bob Zubrin hielt ihr den Zettel vor die Nase und nahm die zierliche Frau in den Arm. "Herzlichen Glückwunsch", sagte er. Jetzt stürmten die anderen nach vorne, rissen dem Amerikaner die immer noch völlig überraschte Heike förmlich aus den Armen und warfen das 1,60m große Bündel Mensch in die Luft. In der geringen Schwerkraft stieß sie beinahe unter die Kabinendecke und hob gleich wieder ab, als sie in den Armen ihrer Mannschaftskameraden landete. Nach dem dritten Wurf stellten sie die arme Frau wieder auf die Beine, schüttelten ihr die Hände und klopften ihr auf die Schulter. "Ist gut, ist gut!", japste sie, "wie soll ich denn auf dem Mars rumlaufen, wenn ihr mich vorher auseinander nehmt?"

Jörg hielt die anderen Umschläge hoch. Jeder zog einen und verlas den Namen, der darauf stand. Pascal Lee würde der zweite sein. Dann folgten Nataliya, Volker, er selbst, Manfred, Sven, Jaqueline, Robert Zubrin und schließlich Josh. Sie legten die Marsanzüge an und machten die Kamera klar. Pascal machte ein paar Probeaufnahmen, um sich mit der Handhabung der Kamera vertraut zu machen. Mit den dicken Handschuhen war das gar nicht so einfach. Heike stand in der Luftschleuse. Ihr zitterten die Knie und in ihrem Kopf kreiste nur ein Gedanke, "Was soll ich nur sagen?", sprach sie laut aus. "Was dir gerade so einfällt", erwiderte Pascal, "und jetzt raus, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit." Die Schleuse öffnete sich und vor ihnen breitete sich die rote Landchaft des Mars aus. Die Luftschleuse war für zwei Personen ausgelegt, so dass die anderen im Schiffsineren an den Monitoren klebten. Wie im Traum ging Heike die Treppe hinab und betrat die fremde Welt. Der Boden fühlte sich weich an. Staub wirbelte auf. Eine Minute lang stand sie einfach nur da. Pascal filmte sie, wie sie einsam und verloren in der Weite des Roten Planeten stand.

Dann drehte sie sich zu ihm um. In seinem Helmempfänger hörte er die Worte "Ich stehe hier im Namen der gesamten Menschheit als erster Mensch auf dem Mars. Ich wünsche mir, dass dies der Anbruch eines neuen Zeitalters in der Menschheitsgeschichte ist. Es spielt keine Rolle, ob ich oder jemand anderes dieses Schritt gemacht hat. Wichtig ist nur eines: Hier steht ein Mensch." Pascal kam die Treppe halb herunter und hielt ihr die Kamera hin. Sie filmte seinen Ausstieg und den der anderen Besatzungsmitglieder. Als alle auf der Oberfläche versammelt waren entrollte Jörg die Flagge der Mars Society. "Ich nehme diesen Planeten für alle Menschen des Planeten Erde in Besitz. Möge er uns und allen, die uns folgen werden eine Heimat sein." Dann pflanzte er die Flagge auf. Sie hatten den Mars erobert. Die Worte von Heike und Jörg wurden automatisch an den Terra Messenger gesendet.

Auch wenn NORAD nach wie vor nur Kauderwelsch entschlüsselte, wussten sie, was dort oben gerade vor sich ging. "Melden Sie dem Präsidenten, dass der erste Mensch vermutlich vor einer Stunde den Mars betreten hat", wies der Nachrichtenoffizier im Weißen Haus einen Agenten an. Bill Clinton wusste, das am nächsten Tag ohnehin sämtliche Medien über die mögliche Landung spekulieren würden. Aus den Chandra-Beoabchtungen hatten die seriösen Fachzeitschriften längst nachvollzogen, was sich dort auf dem Mars tun musste. So trat denn der amerikanische Präsident vor die Kameras und hielt eine Rede, die das angespannte Weltklima ins Gegenteil verkehren sollte. Alle Fernsehstationen und viele ausländische Sender übertrugen die Rede. An diesem 4. Juli war Independence Day, der höchste Feiertag der USA.

Der Sprecher des Weißen Hauses trat an das Rednerpult und verkündete "Ladies and Gentlemen, the president of the United States of America." Dann trat Bill Clinton vor die Kameras. "Heute ist in zweifacher Hinsicht ein denkwürdiger Tag. Die Vereinigten Staaten von Amerika feiern heute ihren 226. Unabhängigkeitstag. 226 Jahre in denen Amerika in Freiheit und Demokratie diese Welt mitgeprägt hat. Ich bin stolz heute der Präsident unserer großen Nation zu sein. Und ich rufe allen Amerikanern zu diesen Tag zu feiern, wo immer sie sich auch auf der Welt befinden mögen. Aber ich sprach von zwei Gründen diesen Tag zu feiern. Und zwar nicht nur in den Vereinigten Staaten von Amerika, sondern auf der ganzen Welt. Seit vermutlich drei Stunden stehen die ersten Menschen auf dem Mars! Wie Sie alle wissen beobachten wir seit dem 1. Juni ein unbekanntes Raumschiff, das von der Erde gestartet ist und sich auf die weisteste Reise gemacht hat, die Menschen je unternommen haben. Wir wissen nicht, wer in diesem Schiff ist und woher es wirklich kommt. Wir wissen aber, dass Menschen dieser Erde an Bord sind. Wir wissen auch, dass dieses Schiff allen bekannten Raumschiffen technisch weit überlegen ist. Nicht einmal unsere fähigsten Leute sind in der Lage den Code zu entschlüsseln, mit dem sie arbeiten und niemand weiss, was dieses Schiff antreibt. Aber wer auch immer dort seinen Fuß auf den Mars gesetzt hat, dem spreche ich meine Glückwünsche aus und verneige mich vor dieser großartigen Leistung. Ich hoffe sehr, dass diese Menschen in friedlicher Absicht zum Mars geflogen sind und ich glaube, ich spreche heute im Namen aller Amerikaner wenn ich sage: Viel Glück euch da oben, die Herzen Amerikas sind bei euch. Wer immer ihr auch sein mögt, Amerika bietet euch seine Unterstützung an. Nach allem, was wir bisher wissen, bedürft ihr unserer Hilfe nicht. Aber unsere Hand ist ausgestreckt, ihr braucht sie nur zu ergreifen. Gebt eure Geheimhaltung auf! Wir wissen, dass ihr für uns unerreichbar seid. Aber lasst alle Menschen an euerem Abenteuer teilhaben. Ihr habt ein Symbol für den Mut und die Tapferkeit gesetzt. Gebt euch zu erkennen und zeigt der gesamten Menschheit, dass alles möglich ist, wenn wir es gemeinsam tun. Wer immer ihr seid, ich würde gern jedem von Euch persönlich die Hand reichen und Euch Dank sagen für diese Sternstunde der Menschheit. Und ich möchte noch eines hinzufügen. Diese Rede ist nicht dazu gedacht, euch zur Aufhebung eurer Geheimhaltung zu verleiten und dann irgendwelche Aktionen gegen euch zu unternehmen. Sie ist ein ehrliches Angebot und die Würdigung einer der größten Leistungen der Menschheitsgeschichte. Ladies and Gentlemen, vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit."

"Wow!", sagte Klaus Totzek in diesem Moment in Stadthagen, "das ist ein echter Hammer. Ob er das wirklich ernst meint?" "Ich weiß nicht", Felix Kalkum schaute auf den Fernseher, "für mich sah es schwer danach aus." In der Bodenstation hatten sie gerade die Bilder von Heike Wierzchowski auf dem Mars gesehen, als im Fernsehen die Rede des Präsidenten begann. Der Fernseher lief hier praktisch immer, um zu sehen, wie die Reaktionen auf das UFO auf dem Mars waren. Björn Grieger sandte eine Botschaft an die Mars Discovery. Sie sollten den Fernsehempfänger einschalten. Dort würde die Rede des Präsidenten mit Sicherheit auf vielen Kanälen wiederholt werden.

Auf dem Mars hatten sich die Astronauten daraufhin wieder in ihr Schiff begeben und sahen eine Wiederholung der Erklärung von Bill Clinton. "Jetzt haben wir die Pistole auf der Brust", bemerkte Bob Zubrin. "Stimmt.", pflichtete Jörg Schabeck ihm bei, "wir müssen unsere Strategie noch einmal überdenken. Wir haben gesehen, wie schnell eine Weltkrise entstanden ist. Clinton hat gerade eine Tür für alle Menschen aufgestoßen. Wenn seine Rede zündet, hat er die Situation entschärft. Wenn sie aber zünden soll, dann muss ein Zeichen von uns kommen. Dann merken nämlich auch die Hardliner, dass wir in Frieden und für alle Menschen hier sind." "Wenn der Amerikaner es ehrlich meint", gab Nataliya zu bedenken. Sie war noch in der Sowjetunion aufgewachsen und hegte ein unterschwelliges Mißtrauen gegen die Amerikaner. "Wir sollten das zunächst mal mit dem Rest der Trupppe auf der Erde besprechen", schlug Schabeck vor. Einige Stunden später hatten sie auf einen Plan geeinigt. Bob Zubrin sollte die Ansprache des amerikanischen Präsidenten erwidern. Von Präsident zu Präsident, sozusagen.

Auf der Erde wurden derweil die Möglichkeiten geprüft, den Bau der anderen Schiffe zu beschleunigen. Da es sich ausschließlich um die Montage und Bestückung der Schiffe handelte, kam man zu dem Schluss, dass die Raumfahrzeuge innerhalb von fünf Wochen startbereit wären. Dann würde sie alle Zelte in Stadthagen abbrechen und alle Aktivitäten auf den Mars verlegen. Sie würden die unterirdische Halle räumen und versiegeln. Sie hofften, dass nach bekanntwerden ihrer Identität noch mindestens drei Monate bis zu ihrer Entdeckung vergehen würden. Dann wären sie längst verschwunden. Die notwendigen Aktivitäten begannen sofort, noch bevor Zubrin auf dem Mars vor der Kamera stand. Montagepläne und Checklisten wurden gestrafft und die Produktionszeiten des Maschinenparks wurden praktisch verdoppelt. In der Science-Fiction Rubrik auf der Homepage der Mars Society hatten sie zum Glück falsche Ortsangaben gemacht. Auch über den Aufbau des Photonenantriebs war dort nichts zu lesen. Wer auch immer nach ihnen suchte würde seine Aktivitäten zunächst auf den ehemaligen Truppenübungsplatz Sennelager bei Bielefeld konzentrieren. Nach und nach würden die NATO Geheimdienste aber sicher den wirklichen Aufenthaltsort ermitteln.

Auf dem Mars trat Robert Zubrin vor die Kamera. Die Rede wurde zusammen mit den Bildern der Landung unverschlüsselt übermittelt. "Hier spricht Dr. Robert Zubrin aus dem Valles Marineris auf dem Planeten Mars. Ich richte mich an alle Menschen aber insbesondere an den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Mr President, Menschen der Erde, am 4. Juli 2002 ist die Mars Society mit ihrem Schiff Mars Discovery auf dem Roten Planeten gelandet. Wir sind zwölf Besatzungsmitglieder aus Deutschland, der Ukraine, Gambia, Österreich und den USA. Wir sind in Frieden und für die gesamte Menschheit hierher gekommen. Unsere Mission hat das Ziel den Mars dauerhaft zu besiedeln. Wir zeigen Ihnen nun die Bilder des ersten Menschen auf dem Mars. Ich darf Ihnen vorher noch Heike Wierzchowski von der deutschen Mars Society vorstellen, die als erstes ihren Fuß auf den Boden des Valles Marineris gesetzt hat." Heike trat in das Bild und sagte, "Ich grüße alle Menschen, die mich jetzt sehen können. Ich bin sehr stolz darauf, diesen Schritt für Sie alle gemacht zu haben." Dann ergriff Bob Zubrin wieder das Wort. "Mr President, wir alle hoffen, dass Amerika uns seine Hand mit offenen und ehrlichen Absichten reicht. Die Mars Society war immer eine Organisation, die für den Frieden und die Gemeinschaft der Völker stand und nach wie vor steht. Wir haben vor einigen Jahren eher zufällig eine Antriebsmethode für Raumschiffe entdeckt, die herkömmlichen Antrieben weit überlegen ist. Aufgrund der politischen und kulturellen Weltlage sahen wir uns jedoch gezwungen im Geheimen zu arbeiten. Die Geheimhaltung unserer Technik werden wir auch aufrecht erhalten. Ich bitte Sie, dies zu verstehen und zu akzeptieren. Von nun an werden Sie regelmäßig Berichte vom Mars erhalten. Bevor ich zu Ende meiner Rede komme, habe ich noch eine ganz besondere Ehre. Ich rufe hiermit die Republik der United People of Ares, kurz UPA aus. Unser, zugegeben noch sehr kleiner Staat basiert auf den Menschenrechten und den Grundregeln der Demokratie. Mr. President, ich danke ihnen für Ihre Offenheit und Ihr Vertrauen. Ich hoffe, wie alle meine Freunde, Sie haben es ehrlich gemeint."

Dann folgten die Bilder des Ausstiegs und des Aufplanzens der Mars Society Flagge. Pascal Lee hatte noch einen Rundgang um das Schiff gemacht und es in der Weite der Marslandschaft gefilmt. Diese Bilder wurden ebenfalls zur Erde gesandt. Dann folgten Bilder aus dem Schiffsinneren, die während des Fluges entstanden waren. Sie zeigten nacheinander alle Besatzungsmitglieder bei ihren Aktivitäten während des Fluges. Im Hintergrund war der eigens für die Mars Society geschriebene Song "I wanna go to Mars" von The Birdwatchers zu hören. Der Song sollte über Nacht die Nummer eins in den meisten Charts der Erde werden. Heike und Jaqueline hatten den Film am Computer zusammengeschnitten und den Namen und die Funktion des jeweils gezeigten Crewmitgliedes eingeblendet. Am Ende des Filmes gab es noch einmal ein Gemeinschaftsbild der Marspioniere. Auf der Erde unterbrachen praktisch alle Fernsehsender ihr Programm, als die Botschaft vom Mars eintraf. In Washington wurde der Film auf Großbildleinwänden im Senat und im Kongress gezeigt. Die Abgeordneten standen auf und klatschten Beifall. Ähnliche Szenen spielten sich in vielen Ländern der Erde ab. Eine Welle der Erleichterung und der Symphatie erhob sich rund um den Globus.

Die nächste Botschaft des amerikanischen Präsidenten ging an die Volksrepublik China. Bill Clinton drückte sein Bedauern über die Krise aus und bat für die Berichterstattung einiger amekanischer Medien um Entschuldigung. Das fiel im Reich der Mitte auf fruchtbaren Boden. Von einem Augenblick zum anderen hatte sich die Weltlage entspannt. Besonders dumm standen die Sensationspresse und der Sender CNN da. Durch ihre Berichte über die angeblichen chinesischen Superwaffen hatten sie die Krise maßgeblich angeheizt. Jetzt standen sie plötzlich im Abseits. In Großbritannien wurde das Sensationsblatt The Sun am Folgetag praktisch nicht mehr gekauft. Der amerikanische Playboy reagierte sofort auf die Neuigkeiten aus dem All. Von dort übermittelte man den Frauen an Bord der Mars Discovery ein Angebot über dreißig Millionen Dollar für Nacktphotos der Astronautinnen. Den einzigen Kommentar dazu gab Nataliya ab. "Job twoju maht." (Fick deine Mutter), sagte sie und bedachte die Offerte damit mit einem der schlimmsten Schimpfwörter, die die russische Sprache kennt. Damit war der Fall erledigt.

Die Internetseite der Mars Society brach zeitweise zusammen. Sie hatten in der Stunde nach der Fernsehübertragung 42 Millionen Zugriffe. Auf dem Mars stellte sich derweil wieder die Routine ein. Die Habitate mussten aufgebaut werden. Dafür hatten sie den Rover mit einem Kran ausgestattet. Ausserdem untersuchten Pascal Lee und sein Team die Landestelle. Man wollte sichergehen, dass man wirklich auf festem Boden stand. Das Erlebnis beim ersten Landeversuch hatte keiner von ihnen vergessen. Nach vier Tagen schweißtriebender Arbeit standen die ersten drei "Häuser" auf dem Mars. Am fünften Tag wurde das Gewächshaus fertiggestellt. Die Astronauten konnten sich maximal für drei Stunden außerhalb der Mars Discovery aufhalten. Dann begann trotz Anzugheizung die Kälte durchzudringen. -60°C sind halt nicht das, was man für Menschen als angenehm bezeichnen würde. Nach einer Woche war eine kleine Siedlung entstanden, die auf den Namen First Village getauft wurde.

Sol 10
Die Mars Discovery war kaum noch auszumachen. Aufgrund der geänderten Bedingungen hatte die Mars Society beschlossen, den geplanten Versorgungsflug vorzuziehen. An Bord des Schiffes befanden sich Nataliya, Josh und Volker Mang. Auf dem Rückflug zur Erde würden sie versuchen alles was ihr Schiff zu bieten hatte herauszukitzeln. Außerhalb der Marsumlaufbahn gab Nataliya der Mars Discovery die Sporen. Das Schiff beschleunigte, bis die Pilotin bei einem Andruck von acht g das erste mal den Schub aussetzte. Obwohl das nur ein Fingerdruck war, schmerzten ihre Unterarme. Das achtfache Körpergewicht belastete den Organismus erheblich. Nataliya spürte Ohnmacht und Übelkeit in sich aufsteigen. Mit nachlassender Beschleunigung ließ auch der übermächtige Druck nach. Nachdem sich die Besatzung erholt hatte, begann die zweite Beschleunigungsphase. Wieder wurde sie von einer Titanenfaust in die Sitze gepresst. Schwarze Nebel wallten vor ihren Augen. Beschleunigung zurücknehmen, erholen und ein drittelmal auf Vollschub gehen. Bei 765.000 Kilometer pro Stunde beendete Nataliya den Beschleunigungsvorgang. Bei dieser Geschwindigkeit würden sie für den Rückflug ca. 20 Tage benötigen. In Stadthagen wurde unterdessen parallel an den beiden anderen Schiffen gearbeitet. Die Arbeiten gingen schneller voran als erwartet, was zweifellos am Einsatz jedes einzelnen lag. Ein motivierteres Team hatte die Welt wahrscheinlich noch nicht gesehen.

Währenddessen gruben die NATO-Geheimdienste den Truppenübungsplatz Sennelager um. CIA, MI5 und der BND hatten den Platz in drei Abschnitte unterteilt auf denen jeder der drei Geheimdienste als erster die Basis der Mars Society zu finden hoffte. Alles was sie entdeckten waren Munitionsreste und vergessene Ausrüstungsgegenstände vergangener Militärübungen.

Auf dem Mars widmete man sich unterdessen einem viel dringenderen Problem: Der Suche nach Wasser. Noch hatten sie die Vorräte in den Wänden der Habitate. Aber um so mehr sie diese aufbrauchten, um so mehr sank auch der Strahlenschutz, den die wassergefüllten Wände sicherstellten. Auf dem Grund des Valles Marineris war das Risiko einer erhöhten Strahlenbelastung zwar sehr gering, konnte in Phasen erhöhter Sonnenaktivität aber durchaus zu einem Problem werden. Das Team von Pascal Lee hatte immer noch keine Erklärung dafür, warum sie bei ihrem ersten Landeversuch auf flüssiges Wasser gestoßen waren. Das hätte es dort eigentlich nicht geben dürfen. Manfred, Pascal, Markus und Sven hatte bei einer Exkursion mit dem Rover in 3 Kilometern Entfernung zum First Village eine kleine Senke entdeckt. Von der Bodenstruktur her ähnelte das Gebiet ihrer ersten Landestelle. Markus untersuchte Bodenproben mit einem Spektrometer und schüttelte den Kopf. "Jede Menge Eisen, Silizium, Sauerstoff und Kohlenstoff. Wasserstoff ist praktisch nicht vorhanden.", las er seine Ergebnisse vor. "Denk daran, dass Mars Odyssey im gesamten Valles Marineris keinen Wasserstoff gefunden hat. Trotzdem hätten wir hier beinahe als U-Boot Karriere gemacht", gab Sven zu bedenken. "Richtig," antwortete Pascal, "wir sollten eine Bohrung versuchen." Markus und Manfred gingen zurück zum Rover und holten das Bohrgerät. Damit waren sie in der Lage Bohrungen bis zu einer Tiefe von sieben Meter in den Marsboden einzubringen. Ihre erste Bohrung war einen Meter tief. Markus untersuchte den Bohrkern fand aber dieselbe Zusammensetzung wie auf der Oberfläche. Sie gingen einen Meter tiefer. Auch in dieser Probe war kaum Wasserstoff vorhanden. Auf vier Meter Tiefe stieg der Wasserstoffgehalt stark an. Auch das Aussehen des Gestein hatte sich verändert. Es waren kleine Spuren von Eis darin. Auf sechs Meter bestand der Bohrkern überwiegend aus Eis, das sofort verdampfte. Aber sie hatten gefunden, wonach sie gesucht hatten. Der Mars entpuppte sich als alles andere, als die kalte trockene Wüste, für die man ihn jahrzehntelang gehalten hatte. Markus füllte Eis in einen eigens dafür vorgesehenen Behälter und brachte die Probe zurück in den Rover. In der Kabine herrschten normale Druck- und Temperaturverhältnisse, unter denen sich das Eis verflüssigte. Die anderen folgten ihm und verstauten das Bohrgerät im Stauraum an der Außenseite des Rovers. Der Wiedereinstieg nahm einige Zeit in Anspruch. Die kleine Luftschleuse des Marsgefährtes war für eine Person ausgelegt. Wer von außen durch die Schleuse kam, musste fünf Minuten warten, bevor er in das Innere des Fahrzeuges gelangte. Während dieser Zeit blies ein Hochdruckgebläse den feinen Peroxidstaub, der auf dem Mars allgegenwärtig ist, von den Anzügen. Andernfalls konnte das zu äußerst unangenehmen Hautreizungen führen und der Ausrüstung im Rover arg zusetzen. Zurück im Rover schaute sich Pascal die Filmaufnahmen an, die er von den Bohrarbeiten gemacht hatte. Heike und Jaqueline würden die Aufnahmen nachher aufbereiten und an die Erde senden, wo sie dann zweifelsohne für eine Überraschung sorgen würden.

Bevor sie das Wasser fördern und verwenden konnten, waren umfangreiche Untersuchungen an der Probe notwendig. Das Wasser war mit Sicherheit mit Marsmineralien gesättigt und für Menschen nicht genießbar. Um das kostbare Nass in Trink- und Brauchwasser umzuwandeln, verfügte die Marsexpedition über verschiedene Filterelemente. Sobald bekannt war, was aus dem Wasser herausgefiltert werden musste, wären sie in der in der Lage aus den mitgebrachten Elementen eine geeignete Filteranlage zu konstruieren. Als erstes brachte Markus Landgraf jedoch MILDI zum Einsatz. Die Probe konnte nämlich auch Leben enthalten. Und das wollte er unbedingt finden. Deshalb war er hier. Er erlebte eine herbe Enttäuschung. In der Probe lebte nichts.

SOL 20
Auf der Erde stand die Mars Society vor einem neuen Problem. Die Mitgliederzahlen explodierten plötzlich. Jeder wollte plötzlich dazu gehören. Überall bildeten sich neue Chapters, selbst in Mikronesien im Südpazifik gab es Interessenten. Außerdem gingen tausende E-Mails mit Bewerbungen für die nächsten Marsflüge ein. Maggie Zubrin sah sich gezwungen auf der Internetseite bekannt zu geben, dass aufgrund der besonderen Situation in der sich die Organisation befände, derzeit keine neuen Mitglieder aufgenommen werden könnten. Viel half das nicht, die Flut der Anträge ließ nicht nach. Da inzwischen fast täglich Mitglieder der Mars Society zu Fernsehinterviews eingeladen wurden, bat man dort um Verständnis für den Aufnahmestopp. Das aktuelle Marsprogramm und der Medienrummel fraßen bereits alle Ressourcen der Gesellschaft. Allmählich nur ging die Zahl der Beitrittswünsche zurück.

SOL 31
Die Mars Discovery war in eine Erdumlaufbahn eingeschwenkt. In 400.000 Kilometern Höhe würden sie zehn Tage lang hinter dem Mond warten, bevor sie eine Landung versuchten. Chandra hatte das Schiff auf dem Rückflug natürlich erfasst. Das hatte zu einer Verstärkung der Überwachung auf Seiten aller Staaten der Erde geführt. Würden sie jetzt eine Landung versuchen, würden tausend Augen das Schiff bis Stadthagen verfolgen. Der Missionsplan sah vor, nachts über Kasachstan in die Atmosphäre einzutauchen und von dort aus in einer Höhe von 60 Metern das Radar zu unterfliegen. Drei Millionen Kilometer bevor sie den Mond erreicht hatten, schaltete Nataliya die Triebwerke ab. Chandra war plötzlich blind und verlor das Raumschiff, das nun im freien Fall auf den Mond zuglitt. Als der Erdmond zwischen dem Röntgensatelliten und der Mars Discovery stand, bremste Nataliya das Schiff ab. Der diensthabende Offizier bei NORAD trat nach einem Stuhl. "Verdammt, die haben uns schon wieder geleimt! Melden Sie an das Weiße Haus, dass wir die Schweinebande verloren haben." Im Oval Office blickte der Präsident in die Runde seiner Berater. "Die kriegen wir nicht. Bei den Tricks, die die auf Lager haben, könnte Zubrin sein Schiff vor dem Weißen Haus landen und wir würden es nicht merken. Zudem sind diese Leute nicht unsere Feinde. Informieren Sie unsere Verbündeten darüber, dass ich die Verfolgung des Schiffes einstellen werde."

Exodus

SOL 40


Die Mars Discovery schwebte zur Landung in Stadthagen ein. Der Tiefflug über tausende Kilometer war eine enorme Anstrengung für die Besatzung gewesen. Aber sie waren nahezu völlig unbehelligt geblieben. Die Begrüßung durch die Bodencrew war stürmisch, aber sehr kurz. Man begann sofort mit der Verladung des Nachschubs. Die anderen Schiffe waren ebenfalls fertig. Sie trugen die Namen Kopernikus und Galileo. Nach Abschluss der Verladung und den letzten Systemchecks wurde die unterirdische Halle vollständig leer geräumt. Felix Kalkum ließ nur einen Zettel mit der Aufschrift "We were here!" zurück. Dann bewegte sich ein Schiff nach dem anderen vor die Halle. Die Rampe wurde zu gefahren und versiegelt. Auf den ersten Blick sah man nur einen leeren Hof.

Der Countdown wurde kurz gehalten. Die Mars Discovery hob als erstes ab. Dann folgte die Kopernikus. Galileo bildete das Schlusslicht des Trios. Diesmal machten sie keine Umwege. Die Mars Discovery stieg senkrecht auf 500 Meter stellte sich dann vertikal und raste in einem grellen Leuchten davon. Die Kopernikus folgte unsichtbar. Die Triebwerksfilter eliminierten die typische Lichterscheinung. Galileo tat es seinen Schwestern gleich. An der Bundesstraße, die 300 Meter entfernt an der Scheune vorbeiführte hielten Autos an, deren Fahrer die aufsteigenden Raumschiffe beobachteten. Auch in Stadthagen sah man die startenden Schiffe. Der ganze Spuk dauerte nur ein paar Minuten, dann war der Himmel wieder leer. Außerhalb der Erdatmosphäre begann die Beschleunigungsphase. Im freien Weltraum ging die kleine Flotte auf die bisher bekannte Höchstgeschwindigkeit von 765.000 Kilometer pro Stunde. In 20 Tagen würden sie ihre neue Heimat erreichen. Die Mars Society hatte sich sang- und klanglos von der Erde verabschiedet.

Auf dem Mars wurde währenddessen weiter intensiv gearbeitet. Sven und Manfred hatten über der Wasserfundstelle eine Pumpe installiert. An der Spitze des Saugrohres wurde das Eis im Marsboden erwärmt. Aufgrund des geringen Luftdrucks verdampfte das Wasser sofort und stieg im Pumpenrohr nach oben. Dort angekommen wurde der Dampf in einen Ballon gepumpt, der unter höherem Druck stand und auf -20°C aufgeheizt wurde. Der Wasserdampf kondensierte und füllte den Ballon auf. Sobald der Ballon voll war, gab die Pumpe ein Signal an die Marsstation ab. Von dort fuhren dann zwei Astronauten mit dem Rover los, hängten den gewonnenen Wasservorrat am Kran des Rovers auf und brachten das Wasser nach First Village. Dort wurde der Ballon an die Filteranlage angeschlossen und sein Inhalt trinkbar gemacht. Die ersten Geschmackstests fielen jedoch ziemlich negativ aus. Das Wasser schmeckte fade. Es waren noch einige Versuche an der Filteranlage notwendig, bis die Kolonisten halbwegs zufrieden waren. Wenigstens konnten sie jetzt wieder duschen. Das war ihnen nämlich in den ersten Tagen ihres Aufenthaltes nicht erlaubt, um Wasser zu sparen. Sobald die Nachschubschiffe eingetroffen waren, sollte eine Pipeline von der Pumpe zur Filteranlage gelegt werden. Das würde ihnen das Leben in der tristen Einöde ein wenig erleichtern. In den folgenden Tagen erkundeten sie die nähere Umgebung von First Village genauer. Sie waren ziemlich genau in der Mitte des Valles Marineris gelandet. Die Wände des Riesencanyons waren etwa 50km von der Ansiedlung entfernt. Dazwischen erhob sich eine hüglige Landschaft, die streckenweise mit Geröll übersät war.

Östlich der Landestelle erhob sich eine rund 100 Meter hohe Sanddüne. Aber auch in der Siedlung selbst gab es genug zu tun. Im Gewächshaus wurden die Beete angelegt und Setzlinge in den mitgebrachten Mutterboden gepflanzt. Hier sollten einmal Kartoffeln, Bohnen, Salat, Erbsen und Karotten gedeihen. Unter der Decke des Gewächshauses befanden sich Pflanzenlichtlampen. Es war ein erster Schritt, die UPA autark zu machen. Bis das soweit war, würden aber noch einige Versorgungsflüge zur Erde notwendig sein. Bob Zubrin schloss ein Abkommen mit der NASA und der ESA, wonach die Schiffe der Mars Society mit Nachschub versorgt würden, wenn bei jedem Flug ein amerikanischer oder europäischer Astronaut zu einem Forschungsaufenthalt mit zum Mars fliegen konnte.

Eine Nation entsteht

SOL 74


First Village hatte sich inzwischen in eine geschäftige Siedlung verwandelt. Neben neun Habitaten zählten drei Gewächshäuser und zwei Industriegebäude zum ersten Dorf außerhalb der Erde. Die kleinen Produktionsstätten waren speziell auf die Bedürfnisse der Marskolonie abgestimmt. Beide Werke arbeiteten in drei Stufen. Die erste Stufe diente der Gewinnung von Basismaterialien. In der ersten Fabrik wurde Eisen gewonnen. Dazu wurde das überreichlich vorhandene Eisenoxid zunächst in Eisen und Sauerstoff aufgespalten. Dann wurde Kohlendioxid aus der Marsatmosphäre zugefügt und ebenfalls aufgespalten. Die Aufspaltung des CO2 fraß immense Energien, deshalb wurden die Mandelbrotgeneratoren eines jeweils ungenutzten Schiffes als Energiequelle genutzt. Die Marsschiffe erzeugten durch die Solarzellen auf den Tragflächen am meisten Strom für die Generatoren. Aus dem gewonnenen Kohlenstoff und dem Eisen konnte die Anlage Stahl gewinnen. In der zweiten Stufe durchlief der Stahl zunächst eine Verdichtungsstufe aus zwei Mandelbrotgeneratoren. Schabeck hatte bei metallographischen Untersuchungen auf der Erde herausgefunden, dass durch eine geringe Verdichtung die Korrosionsbeständigkeit des Stahls verbessert wurde, was aufgrund des ständigen Peroxidbombardements auf dem Mars auch bitter nötig war. Hier oben fehlten ihnen die Metalle Chrom und Nickel, um damit rostfreie, austenitische Stähle zu produzieren. In der dritten Stufe folgten das Walzwerk und mehrere Bearbeitungszentren aus Kombinationen verschiedener Werkzeuge. Der Bearbeitungsablauf konnte so programmiert werden, dass praktisch jeder Gebrauchsgegenstand vom Bauelement bis hin zur Stecknadel produziert werden konnte. Auf der Erde hätte jeder Unternehmer seinen linken Arm für eine dieser Anlagen gegeben.

Das zweite Werk produzierte als Grundstufe Kohlenwasserstoffe. Hierbei wurden CO2 aus der Atmosphäre und Wasser aufgespalten und zu Kohlenwasserstoffen definierter Kettenlänge zusammengefügt. Daraus entstanden in der zweiten Bearbeitungsstufe Kunststoffe die dann in der dritten Stufe zu allem möglichen weiterverarbeitet werden konnten. Damit waren die Grundlagen für den weiteren Ausbau der Marskolonie geschaffen. Menschliche Eingriffe waren kaum noch notwendig. Die verschiedenen Produktionsabläufe waren vorprogrammiert. So gab es beispielsweise das Programm Habitat, das nacheinander alle Materialien zur Produktion einer neuen Behausung durchlief. Das Problem bestand zurzeit noch darin, dass der Ausstoß der Fabriken aufgrund ihrer Winzigkeit sehr gering war. Das gesamte Produktionsprogramm funktionierte nach einem Schneeballprinzip. Die kleinen Strukturen erzeugten die Materialien, um daraus die nächstgrößere Struktur aufzubauen und so weiter. Bevor dieses Prinzip richtig verwirklicht werden konnte, brauchten sie aber noch diverse Unterstützung von der Erde.

Der ursprüngliche Plan sah vor, dass ihr Unternehmen noch immer geheim war. Das hätte bedeutet, dass sie in mehreren unentdeckten Nachschubflügen das benötigte Material hätten heranschaffen können. Die komplette Änderung der Situation durch die Bekanntgabe ihrer Identität und das Abkommen mit der NASA und der ESA bedeutete eine enorme Erleichterung und ein großes Risiko zugleich. Die UPA musste in jedem Fall vermeiden, in Abhängigkeit ihrer Partner von der Erde zu geraten. Dann könnte man die Menschen auf dem Mars nämlich zur Herausgabe ihrer technischen Geheimnisse zwingen. Das wollte sich hier lieber niemand vorstellen. Das Team auf dem Roten Planeten hatte eine "Einkaufsliste" von Dingen zusammengestellt, die sie von der Erde benötigten. Dazu zählten Lebensmittel, Werkzeuge, Computer, Solarzellen und Gegenstände des täglichen Gebrauchs. Die Amerikaner stimmten der Liste vorbehaltlos zu. Schließlich sollte ein NASA-Astronaut auch der erste Gast auf dem Mars sein.

Aus der Kooperation ergab sich noch ein anderes Problem, das sie bisher nie angesprochen hatten. Wenn die Amerikaner es nämlich nicht ehrlich gemeint hatten und die Schiffe bei der Landung angriffen und besetzten, wäre alles verloren. Keiner, nicht einmal Bob Zubrin, trauten dem Angebot wirklich. Also mussten sie sich etwas einfallen lassen. Die Marsbewohner mussten bei ihrem Besuch auf der Erde militärische Stärke zeigen. Keiner von ihnen mochte Waffen. Ihr Grundsatz bestand in der friedlichen Koexistenz aller Menschen. Hier auf dem Mars war dieser Grundsatz leicht einzuhalten. Aber auf der Erde lebte nur der in Frieden, der diesen Frieden auch militärisch absichern konnte. Schabeck hatte schon einmal in der Rüstungsindustrie gearbeitet und daher eine fundierte Kenntnis über Waffensysteme. Sein Vorschlag bestand darin, die Schiffe mit Railguns auszustatten. Das sind Kanonen, die ein Geschoss anstatt mit chemischen Sprengstoffen auf Magnetschienen beschleunigten. Die Mündungsgeschwindigkeit einer Railgun übertraf die aller konventionellen Geschütze bei weitem. Die Flugbahn der Geschosse war fast gradlinig und nicht ballistisch, wie bei normaler Artillerie. Der Nachteil einer Railgun war der enorme Energieverbrauch. Und genau das stellte für die Leute auf dem Mars kein Problem dar. Ein Mandelbrotgenerator konnte die benötigte Energie mühelos liefern. Schabeck ordnete in seiner Konstruktion sechs Generatoren wie eine Revolvertrommel am Geschütz an. Wurde ein Schuss abgefeuert, drehte sich der nächste aktive Generator hinter das Geschoss. Der verbrauchte wurde währenddessen wieder geladen. Dadurch konnte die Railgun kontinuierlich schießen. Ein weiterer Vorteil war, dass die Geschosse sehr klein waren und keinen Sprengstoff benötigten. Durch die hohe Mündungsgeschwindigkeit begann ein abgefeuertes Geschoss selbst in der dünnen Marsatmospähre durch die Luftreibung zu glühen. Es kam bis zur Weißglut erhitzt am Ziel an, wo es mit nie gekannter Durchschlagskraft einschlug. Ein M2 Abrams Panzer der U.S. Streitkräfte böte dagegen nicht mehr Widerstand, als eine Konservendose einem Maschinengewehr. In der Zeit vor ihrem Abflug aus Stadthagen, war es einem Team gelungen, sehr kleine Mandelbrotgeneratoren zu bauen. Die benutzte Jörg Schabeck, um eine Handfeuerwaffe zu konstruieren. Die Waffe ließ jeden der sie trug aussehen, wie den Terminator persönlich. Sie war sehr groß, aber da sie größtenteils aus Kunststoff bestand außerordentlich leicht. Drei 1,5V Akkus reichten aus, um den 5mm-Geschossen genug Energie zu verleihen. Selbst ein Schuss aus einer dieser Waffen verpasste jedem Panzer ein ziemliches Loch. Was dieses Ding mit einem Menschen anstellte, wollte sich Schabeck lieber nicht vorstellen. "Traurig, dass wir diese Dinger brauchen", sagte Sven Knuth und wog das Gewehr in der Hand. "Solange wir keinem was damit zuleide tun, ist die Sache in Ordnung", antwortete Jörg, "Ich hoffe unsere Freunde auf der Erde sind vernünftig."

Für den Versorgungsflug zur Erde waren die Galileo und die Kopernikus vorgesehen. Es würde nur jeweils eines der Schiffe landen, während das andere über der Landstelle schweben und Wache halten würde. Das zweite Schiff würde erst dann landen, wenn das erste in der Luft in Position gegangen war. Sie hatten nicht vor auf irgendjemanden zu schießen, wollten den Amerikanern aber unmissverständlich zeigen, dass sie nicht wehrlos waren. "Außerdem ist das die Sprache, die ihr Amerikanskis am besten versteht.", sagte Nataliya an Bob Zubrin gewandt. Der nickte nachdenklich. Wenn diese Geschichte bloß nicht in einer Katastrophe endete. Konnten sie dem Wort des U.S.-Präsidenten tatsächlich vertrauen? Die Verlockung sich der geheimnisvollen Technik der Marsianer zu bemächtigen musste für die Amerikaner groß sein. Die USA waren die größte Militärmacht, die die Welt je gesehen hatte. Dort konnte man also durchaus auf die Idee kommen, das ein paar hergelaufenen Abenteurern auch klar zu machen.


SOL 79

Galileo und Kopernikus verließen den Marsorbit und beschleunigten in Richtung Erde. An Bord jedes Schiffes befanden sich neun Besatzungsmitglieder. Die Galileo wurde von Heike Wierzchowski geflogen, während Björn Grieger die Kopernikus steuerte. Unter den Schiffen waren die drehbaren Kuppeln der Railguns angebracht. Auf der Oberseite war eine weitere Kuppel mit einer Handfeuerwaffe montiert. Nur falls jemand auf die Idee kam die Schiffe aus der Luft anzugreifen.


SOL 100

Auf der Edwards Air Force Base in Kalifornien beabachteten Bill Clinton und einige Minister die Landung der Marsschiffe. "Ganz schöne Brocken", staunte William Perry, der Verteidigungsminister der USA. Außer ihm und dem Präsidenten waren ranghohe Vertreter der NASA und des Militärs anwesend. Außerdem Scharen von Reportern. Die Landestelle wurde von Infanterie und Panzern abgeschirmt. Man wollte nicht, dass irgendein durchgeknallter Journalist zu den Marsleuten gelangen konnte, weil er ein Exklusivinterview ergattern wollte. Etliche Kameras mit Teleobjektiven waren auf das Flugfeld gerichtet. Eine Militärkapelle stand bereit, um die seltsamen Gäste gebührend zu empfangen. Galileo setzte gerade exakt am Landepunkt auf. "Wahnsinn", stammelte irgendjemand von der NASA, "wie können die diese Riesenkisten nur senkrecht landen?" Auf dem Flugfeld stand währenddessen das Empfangskomitee bereit.

Ein General der U.S.Airforce würde die Gäste begrüßen. Er wurde begleitet von einem Major und zwei schwer bewaffneten Marines. Der General blickte zur Kopernikus hinauf, die über dem Landefeld schwebte. Dieses Vorgehen war vorher mit den Amerikanern abgesprochen worden. Also schritt der Luftwaffengeneral auf das gelandete Schiff zu. An der Galileo öffnete sich eine Luke und eine Treppe wurde ausgefahren. Zwei bewaffnete Männer stürmten aus dem Schiff und gingen neben der Treppe in Stellung. "Sir!", fragte einer der Marines und richtete seine Waffe nach vorn. "Ruhig bleiben Jenkins!", antwortete der General, "die sind nur vorsichtig, genau wie wir. Heute wird keiner erschossen, klar?" Eine kleine Gestalt trat aus der Luke und kam etwas unsicher die Treppe hinunter. Die hohe Schwerkraft der Erde war für Heike nach so langer Zeit auf dem Mars ungewohnt. Sie straffte sich und ging dem Mann in der blauen Uniform entgegen. Auf halber Strecke trafen sie sich. "Samuel T. Mathews, United States Air Force. Willkommen in Kalifornien", begrüßte sie der General. "Heike Wierzchowski von der UPA", sagte Heike und ergriff die hingehaltene Hand. Die Militärkapelle donnerte los. Sie spielten den Hit der Birdwatchers, was Heike außerordentlich gefiel. Klar, eine offizielle Hymne hatten sie auf dem Mars ja auch noch nicht. Sie blickte an dem Truppenaufmarsch auf dem Flugfeld entlang. "Reine Vorsichtsmaßnahme, um die Presse abzuschirmen", versicherte General Mathews eilig, "Ich gebe ihnen mein Ehrenwort, dass wir keinerlei feindliche Absichten gegen Sie hegen", fügte er hinzu. Die kleine Frau vom Mars blickte dem General fest in die Augen und sagte, "Und ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, dass unser Schiff da oben Ihren ganzen Trachtenverein hier in Hamburger verwandelt, falls Ihr Wort nichts wert sein sollte." Der General lächelte, "Ich hätte nicht erwartet, dass unser Besuch aus dem All so charmant sein würde. Nachdem wir nun wissen, wo wir stehen, darf ich Sie bitten mir zu folgen. Der Präsident kann es kaum erwarten Sie zu begrüßen."

Aus der Phalanx der Militärfahrzeuge lösten sich zwei Geländewagen und kamen auf sie zu. Heike winkte den beiden Posten an der Treppe zu, die jetzt die Helme ihrer Marsanzüge zurück klappten. Zum Vorschein kamen Bob Zubrin und Pascal Lee. Die Delegation begab sich in die Fahrzeuge und wurde zur Tribüne gebracht, wo sie von Bill Clinton begrüßt wurden. Der Präsident reichte Heike die Hand. "Die erste Frau auf dem Mars", sagte er lächelnd, "und ich darf sie begrüßen. Mrs. Wierzchowski ich fühle mich durch Ihren Besuch zutiefst geehrt." "Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Mr. President", gab Heike zurück, der jetzt doch die Knie ein wenig weich wurden. Sie stand vor dem mächtigsten Mann der Welt. Clinton begrüßte Pascal Lee und Bob Zubrin. "Robert Zubrin, ich hätte mir gleich denken können, dass Sie damit zu tun haben. Mit dieser Riesenkanone sehen Sie übrigens höchst unwissenschaftlich aus, Doktor." Zubrin hängte die Railgun über die Schulter und sagte "Diese Kanone erschien uns notwendig, Mr. President." Jetzt trat aus der Menge Maggie Zubrin hervor und umarmte ihren Mann. Sie würde ihn auf dem Rückflug zum Mars begleiten. Der Präsident trat mit Heike an das Rednerpult, wo sie von den anderen Anwesenden begrüßt wurde. Clinton trat mit Heike an seiner Seite vor das Mikrofon und wandte sich an die wartenden Journalisten. "Ladies and Gentlemen, den Vereinigten Staaten von Amerika ist heute die besondere Ehre zuteil geworden, die ersten Menschen die den Mars erreicht haben, als Gäste begrüßen zu dürfen. Ich darf Ihnen Heike Wierzchowski vorstellen, die als erster Mensch ihren Fußabdruck auf dem Roten Planeten hinterlassen hat." Beifall brandete auf und Heike winkte den Menschen zu. Der Präsident fuhr fort und sprach über das Abkommen mit der Marsrepublik, wobei er verkündete, dass die USA den neuen Staat als erstes Land der Erde anerkannten. Er schloß mit den Worten "Möge die Verbindung zwischen unseren Nationen eine neue Aera der Menschheit einläuten. Mrs Wierzchowski, ich gebe das Wort an Sie weiter."

Bevor Heike etwas sagen konnte, musste ein Helfer zunächst das Mikrofon herunter stellen. "Wir sind heute hierher gekommen", begann sie, "in Frieden und in Dankbarkeit, für die angebotene Freundschaft der USA. Ich kann mich den Worten Ihres Präsidenten nur anschließen und den Amerikanern und allen Völkern der Erde versichern, dass wir in Frieden und für die ganze Menschheit zum Mars geflogen sind und heute mit den gleichen Absichten hier auf der Erde stehen. Außerdem möchte ich hier etwas tun, was ich auf dem Mars nicht tun kann. Ich möchte mir endlich wieder einmal eine Flasche Chanel Nr. 5 kaufen!" Mit diesem kleinen Witz hatte Heike schlagartig die Sympathie aller Anwesenden und wohl auch aller Menschen gewonnen, die das Ereignis vor dem Fernseher verfolgten. Der Präsident lachte und klatschte und versprach ihr in die Hand eine ganze Kiste Chanel. "Mr. President," flüsterte sie dem mächtigsten Mann der Welt zu, "ich würde jetzt gern auf mein Schiff zurückkehren und mir was passenderes anziehen. Diese Anzüge sind nämlich für Marstemperaturen ausgelegt und bei Ihnen ist es doch ein wenig warm." "General Mathews wird Sie zu ihrem Schiff bringen", ordnete Bill Clinton an.

Zwanzig Minuten später verließen die Astronauten das Schiff in ihren orangen Fliegerkombis, was in der Hitze Kaliforniens weit angenehmer war. Dann begann umgehend die Verladung der Güter. Man wollte Kopernikus nicht ewig in der Luft hängen lassen. Nach drei Stunden waren die Laderäume der Galileo randvoll. Bevor das Schiff abhob und in Warteposition ging, rollte die Präsidentenlimousine auf das Flugfeld. Bill Clinton stieg aus und ging auf Heike zu. In der Hand hielt er ein Päckchen, dass er ihr überreichte. "Chanel Nr. 5, wie versprochen", sagte er. Heike, die ihren kleinen Gag längst schon wieder vergessen hatte, schenkte dem mächtigsten Mann der Erde ihr süßestes Lächeln "Danke Mr. President, ich hatte schon gar nicht mehr daran gedacht." Spontan legte sie dem Präsidenten den Arm um die Schulter, hüpfte hoch und gab ihm einen Kuss auf die Wange. "Freunde?", fragte Bill Clinton. "Freunde, Mr. President!", bestätigte die Frau vom Mars. "Bill, meine Liebe, für Sie Bill." Damit drehte er sich um und bestieg seinen Wagen. Zum Abschied grüßte er noch einmal und fuhr davon. Heike winkte ihm nach. "Freunde", sagte sie zu sich selbst, "und auf dem Mars wird es von nun an wesentlich besser riechen. Ob man dem Burschen wirklich trauen kann?"

Am Abend war auch die Kopernikus voll beladen. Außerdem kam noch ihr Gast an Bord, der Astronaut Graham P. Forrester. Unter dem Klang der Militärkapelle brachen die beiden Schiffe zum Mars auf. Der Rückflug war zwar schon fast Routine, aber noch immer staunten die Crewmitglieder den blauen Planeten, der in der Schwärze des Alls hinter ihnen zurückblieb an. Heike öffnete ihr Geschenk und gönnte sich eine ordentliche Dosis Parfüm. Pascal schnupperte "Wow, das ist ja die Verführung pur!", sagte er und zog genießerisch den Duft durch die Nase ein. "Willst du damit sagen, ohne das Zeug bin ich die Abschreckung pur?", fragte die Angesprochene drohend zurück. "Nein, du bist auch ohne den Stoff eine Sensation, aber mit eben noch ein bisschen mehr", beeilte sich Pascal zu versichern. Heike lächelte den Amerikaner an. War da was? Sie fühlte sich schon länger zu ihm hingezogen. Pascal war witzig, charmant aber unglaublich ungeschickt mit Komplimenten. Pascal drehte sich um und sang "You are may sunshine, my only sunshine...." Heike sah ihm nach und fühlte, dass irgendetwas gerade ‚Klick' in ihr gemacht hatte.


SOL 122

Zurück auf dem Mars wurden sie mit großem Hallo empfangen. Das mitgebrachte Material wurde begutachtet und eingeplant. Markus Landgraf hatte in ihrer Abwesenheit wesentlich mehr über die Geologie des Roten Planeten herausgefunden. In einem Stein, den er untersucht hatte, glaubte er die gleichen wurm artigen Strukturen entdeckt zu haben, wie sie auf der Erde in dem Marsmeteoriten ALH 84001 gefunden worden waren. Leider hatte er hier oben kein Elektronenmikroskop zur Verfügung, um seine Entdeckung untermauern zu können. Das Lichtmikroskop in First Village reichte einfach nicht aus, um vergleichbare Aufnahmen der Strukturen zu machen. Also würde das nächste Schiff den Stein mit zur Erde nehmen, damit man sich am Johnson Space Center in Houston mit dem Fund befassen konnte.


SOL 151

First Village sah inzwischen nach einer richtigen Stadt aus. Zwischen den Habitaten waren Kunststofftunnel installiert worden, die beheizt waren und in denen es Atemluft gab. Vier Gewächshäuser produzierten ausreichende Mengen an Gemüse für die Kolonisten. Am Vortag hatte Bob Zubrin die erste Raumschiffwerft auf dem Mars eingeweiht Außerdem war eine Versammlungshalle gebaut worden. Hier tagte das "Parlament", wissenschaftliche Vorträge wurden gehalten und manchmal wurde auch ein Fest gefeiert. Heute war es die Verlobung von Heike und Pascal. Alle waren da und ließen es sich an diesem Abend nach der harten Arbeit der letzten Wochen gut gehen. Bob Zubrin eröffnete die Feier mit einem Toast. "Ich will gar nicht lang quatschen. Ich kann nur sagen, es wurde auch Zeit, dass ihr zwei gemerkt habt, was alle anderen längst gesehen haben. Viel Glück und hoch die Tassen." Es gab Geschenke, gutes Essen, Champagner und Musik. Es war fast wie eine ganz gewöhnliche Party auf der Erde. Später diskutierten sie über ihre Zukunft auf dem Mars. Sie hatten ihr demographisches Problem nämlich längst erkannt. Es herrschte ein kritisches Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen auf dem Mars, was in Zukunft sicher zu einer psychologischen Belastung führen würde. Einige der alleinstehenden zeigte schon eine deutlich erhöhte Reizbarkeit. Maggie Zubrin hatte einen Lösungsvorschlag. "Bevor mir die Marsherren hier alle schwul werden", begann sie, "sollten wir uns doch vielleicht mal die Bewerbungen anschauen, die ich nach eurem Coming out erhalten habe. Darunter sind sicherlich auch eine ganze Menge Frauen und sicher auch solche, die uns nicht nur in rein sexueller Hinsicht unterstützen können." Gelächter wurde laut, einige Männer wirkten etwas verlegen. "Gute Idee", pflichtete Josh ihr bei, "ich hatte nämlich schon angefangen mich in Volkers Arsch zu verknallen! Der kommt mir auf einmal so dermaßen süß vor." Volker Mang nahm seine Gabel hoch und deutete an damit nach Josh zu werfen. "Und ist die Technik noch so weit, nichts geht über Handarbeit", warf Klaus Totzek den nächsten Witz in die Runde. "Aber mal Ernst beiseite", fuhr er fort, "das könnte wirklich zum Problem werden."

"Okay, ich schlage vor, wir gründen eine Arbeitsgruppe, die sich die Bewerbungen anschaut.", sagte Maggie. "Der sollten allerdings mehrheitlich Frauen angehören", ließ sich Jaqueline vernehmen. "Was soll denn der Quatsch!", konterte Markus Landgraf, "Männer sehen doch viel besser." "Genau deswegen. Sobald es nämlich um Frauen geht, werdet ihr außerordentlich unsachlich. Dann entscheidet ihr auf einmal nur noch mit dem Rückenmark. Was wir brauchen sind aber qualifizierte Frauen, die uns hier wirklich weiterbringen", erwiderte Jaqueline. "Finde ich auch", wurde sie von Nataliya bestärkt, "Ich kann mir schon vorstellen, wie Markus über den Bewerbungen hängt. Die mit den dicken Dingern, die mit den dicken Dingern!", imitierte sie den Planetologen. "Na ja", schmunzelte Markus, "ist doch auch eine Qualifikation oder?" "Also, nach dieser sachlichen und kompetent geführten Diskussion sind wir uns denke ich einig, dass mehrheitlich wir Frauen in der Gruppe vertreten sein sollten", beendete Maggie Zubrin die Debatte. Es war spät geworden und so beschlossen sie, sich zur Ruhe zu begeben. Für den nächsten Tag stand wieder viel Arbeit auf dem Programm.


SOL 152

Heute stand für ein Forscherteam ein ganz besonderer ein besonderer Leckerbissen auf dem Plan. Sie würden zum Olympus Mons fliegen. Das war der Beginn einer Serie von Fernerkundungen, die nach und nach den gesamten Mars einschließen sollte. Die Mars Discovery hob vom neu geschaffenen Flugfeld von First Village ab. Zur Besatzung zählten Carol Stroker, Björn Grieger, Sven Knuth, Bob Zubrin, Jörg Schabeck, Felix Kalkum und Graham Forrester. Für den Amerikaner sollte es der Höhepunkt seiner Mission werden. Die UPA-Leute ließen Forrester das Schiff fliegen. Der Shuttle-Astronaut war begeistert. "Mein Gott", stöhnte er, "das Baby fliegt wie eine Feder. Unser Shuttle fühlt sich dagegen an, wie ein Backstein, der mit einem Katapult abgeschossen wird." Vergnügt stieg er auf zehn Kilometer Höhe. Dann schlug er den Kurs zum Olympus Mons ein und gab Gas, wie er es nannte. Der Flug dauerte eine knappe Stunde und führte über den Tharsis-Rücken nach Westen. Vor dem Olympus Mons ließ Forrester das Schiff auf sieben Kilometer Höhe sinken. Vor ihnen erstreckten sich die flachen Hänge des Schildvulkans. Sie schienen endlos nach oben weiterzugehen. Sie stiegen langsam, dem Hang folgend, auf. Dabei machten sie Videoaufnahmen ihres Fluges.

Die Flanke des Riesenberges war eintönig, nur hier und da durch einen Lavastrom unterbrochen. In 21 Kilometern Höhe deutete Felix plötzlich auf den Monitor. "Da vorne steigt Dampf auf." Forrester hielt die Mars Discovery an und ließ sie schweben. Felix zoomte den Bildausschnitt heran. "Das ist eine Fumarole", flüsterte Carol Stroker, "der alte Knabe ist aktiv!" Sie betrachteten die Felsspalte aus der die Dampfschwaden aufstiegen. Auf 24 Kilometern Höhe fanden sie gleich drei Fumarolen nebeneinander. Der Dampf war hier ziemlich dicht. Dann ging der Hang sanft in die Gipfelebene über. Die Höhenangabe auf dem Monitor zeigte 27412m an, gemessen von der "Meereshöhe" auf dem Mars. Forrester zog die Mars Discovery noch etwas höher und suchte einen Landeplatz. Die weite Gipfelebene war flach und sie fanden schnell einen Platz auf dem das Schiff niedergehen konnte. Auf dem Gipfel waren mehrere EVA's geplant. Allerdings waren sie Außenaufhalte auf maximal zehn Minuten beschränkt. Hier oben war die Strahlung ziemlich hart. Sie standen praktisch im Weltraum. Der Himmel war fast schwarz und man konnte am helllichten Tag die Sterne sehen.

Sie stiegen aus und pflanzten als erstes die Flagge der Mars Society auf. Dann entrollte Forrester eine U.S. Flagge und setzte sie daneben. Björn Grieger maß das Strahlenniveau, die Temperatur und den Luftdruck. Sven und Carol stellten einen Seismographen auf. Forrester hatte insgesamt fünf dieser Geräte mitgebracht, die sie im Laufe der EVA's auf dem Gipfel verteilen würden. Bob Zubrin betätigte sich als Kameramann und nahm den weiten Blick über den Roten Planeten auf. Im Norden tobte weit entfernt ein großer Wirbelsturm, auf den die Crew hinab blickte. Dann beeilten sie sich in das Schiff zurück zu gelangen. Die nächste Etappe führte sie zu einem großen Einschlagkrater auf der Südseite des Gipfelplateaus. Sie landeten auf dem Grund des Kraters und entnahmen Proben, deren Zusammensetzung und Alter in First Village bestimmt werden sollte. Auch hier platzierten sie ein Seismometer. Der dritte Stop lag an der Südseite der Caldera. Ehrfürchtig blickten sie in den fast 70 Kilometer durchmessenden Krater hinab, der aus mehreren Einzelcalderen bestand. Bei näherem Hinsehen entdeckten sie auch hier mehrere Fumarolen. Hier wurde ebenfalls ein Seismometer zurückgelassen. Bei den beiden letzten Landungen auf dem Dach ihrer neuen Welt folgten weitere Messungen, Probenahmen und die beiden letzten Seismometer wurden ausgesetzt.

Auf der Erde vollzog die UPA an diesem Tag einen ganz anderen Schritt. Die Marsleute entsandten einen Botschafter in die USA. Raimund Scheucher wäre nur zu gern mit zum Mars geflogen, entschied sich dann aber doch für seine Familie auf der Erde. Einige andere hatten ihre Beziehungen dem Roten Planeten geopfert. Raimund setzte andere Prioritäten. Die Botschaft in Washington lag in einem kleinen Haus im Stadteil Langdon. Graham Forrester entschloss sich, fortan als Botschafter der USA auf dem Mars zu arbeiten. Auch die meisten Staaten Europas, Russland und Australien erkannten die Marsrepublik an. Aus Mangel an Botschaftern seitens der Marsleute liefen aber alle Geschäftstätigkeiten über Raimund Scheucher in Washington. Aus der Mars Society war eine Nation geworden.

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