Teil 1

First Village

11.02.2012

Jörg Schabeck wartete ungeduldig auf sie Erteilung der Landeerlaubnis. Der Flugverkehr auf dem Raumhafen von First Village steckte mal wieder im üblichen Nachmittagsstau. Schiffe vom Mars, der Erde, Trombur und Talinir hingen über dem Raumhafen in Warteschleifen und taten es Jörg gleich. „First Village Control Center, Landerlaubnis für Luke Skywalker auf Position A58 erteilt.”, drang die Stimme der Flightcontrollerin an Jörgs Ohr. „Verstanden, Luke Skywalker geht auf A58. Bolshoi spasibo, Schatzi.“, gab der Leiter der marsianischen Raumflotte zurück. Manchmal hatte es doch so seine Vorteile, wenn man einen hohen Rang bekleidete. Die Kommandanten der anderen wartenden Schiffe würde jetzt wahrscheinlich mächtig fluchen. Sollten sie ruhig. Jörg ließ sein Shuttle, das nach einem der Meerschweinchen benannt war, die als erste lebende Wesen einen Hyperraumflug absolviert hatten, auf der angegebenen Position herunter gehen. Aus dem Boden klappte eine Gangway an die Schleuse, die es den Besatzungen ermöglichte, direkt von ihren Schiffen in das Raumhafengebäude zu gelangen.

Jörg begab sich in einen der Konferenzräume und war ein wenig enttäuscht. Er war mal wieder der Erste. Also suchte er sich einen Platz und machte es sich bequem. Jeder Platz im Konferenzraum war mit einem Monitor ausgestattet, auf dem der Teilnehmer alle Einzelheiten zum Tagungsthema angezeigt bekam. Da er eh nichts Besseres zu tun hatte, vertiefte sich Jörg in die Angaben auf seinem Monitor. Dort hieß es, dass seit zwei Wochen unbekannte Raumschiffe in den Grenzsektoren des Sternenbundes beobachtet wurden. Möglicherweise existierte ein weiteres raumfahrendes Menschenvolk in der Milchstraße. Das war durchaus wahrscheinlich, denn wenn man bedachte, dass die Erforschung der Galaxie erst seit gut fünf Jahren richtig in Gang gekommen war, gab es sicher noch viel zu entdecken. Jörg sinnierte gerade darüber, welche Geheimnisse wohl als nächstes geklärt würden, als Stakks und Stokks den Raum betraten. Die hochgewachsenen Vertreter aus dem Volk der Ahnen tauchten immer gemeinsam auf. Ihr Heimatvolk lebte in einem fantastischen Planetensystem in der Großen Magellanschen Wolke. Die Ahnen waren das erste Menschengeschlecht und hatten vor Millionen von Jahren das menschliche Leben in die Milchstraße gebracht. Im Laufe ihrer Evolution entwickelten sie die Fähigkeit telepathisch miteinander zu kommunizieren, was dazu geführt hatte, dass das gesamte Ahnenvolk heute eine geistige Gemeinschaft bildete; eine Art Superintelligenz. Die Menschen aus dem Urvolk trugen normalerweise keine Namen, was es für die Milchstraßenbewohner schwierig machte mit ihnen in Kontakt zu treten. Deshalb hatte man den beiden Ahnen, die ständig auf dem Mars waren kurzerhand die Namen Stakks und Stokks verpasst. „Grüße von Taa, Jörg vom Mars“, begann Stokks, „es scheint als stünden wieder mal große Dinge an?“ „Hi Stokks, hi Stakks, keine Ahnung, wir müssen auf die anderen warten und schauen, was wir bis jetzt über die fremden Schiffe wissen. Viel scheint’s nicht zu sein.“, gab Jörg zurück und lächelte den Besuchern zu. „Das würde ich so nicht sehen! Hab hier nämlich die letzten Beobachtungen.“, ließ sich die Stimme von Bob Zubrin von der Tür her vernehmen. Zusammen mit dem Marspräsidenten betraten Issala, die Vertreterin Tromburs, Samon Gerk vom Planeten Talinir, Linda Godwin aus Blue Heaven und Michael Tjurin von der Erde den Raum. Bob Zubrin nahm an der Spitze des Tisches Platz und übertrug die Daten seines Palmtops auf die Monitore der Teilnehmer. Auf den Bildschirmen erschien die unscharfe Aufnahme eines Raumfahrzeuges vor dem Hintergrund der Sterne. Die Form war grob zu erkennen, zusätzlich wurden Daten über Größe, Masse und Geschwindigkeit eingeblendet. "Diese Aufnahme hat die Pegasus gestern geschossen.", begann Bob mit seinen Erläuterungen, "Von der Bauweise her ist das Ding völlig fremdartig, oder hat das schon mal jemand gesehen?" Linda Godwin studierte das Foto. "Kann es sich um ein Schiff von Saatur handeln?"

Rückblende

16.04.2008

Die Al-Samar Rakete über Washington tat es ihren Schwestern über anderen Metropolen der WSA gleich und senkte die Nase auf die 200 Kilometer unter ihr liegende Stadt. Aus der Spitze traten ein kleinerer und ein großer Körper aus und rasten der Erdatmosphäre entgegen. In den Verteidigungszentralen der WSA hatte man die Raketenstarts im mittleren Osten längst registriert, so dass Patriot VI Abwehrraketen gestartet wurden, um die Angreifer der Islamischen Union abzufangen. Die schnellen Patriots fassten ihre Ziele auf und rasten den Al-Samar entgegen. 120 Kilometer über dem Boden trafen die Abwehrraketen auf ihre Gegner und explodierten, was man im Überwachungszentrum in Teheran mit großer Zufriedenheit registrierte. Die Patriots hatten allesamt die abgesetzten Köder vernichtet. Die eigentlichen Sprengköpfe rasten ungehindert ihren Zielen entgegen. Zehn Kilometer über dem Boden teilte sich jeder Sprengkopf in 40 Einzelkörper auf. Am Boden verließen Menschen die Schutzräume und diejenigen, die eine Gasmaske trugen, nahmen sie erleichtert wieder ab. Die Entwarnung war genauso so schnell erfolgt, wie der Luftalarm zuvor. Die Patriots hatten im entscheidenden Augenblick ganze Arbeit geleistet. Sicher war die Reaktion der WSA schon in vollem Gange. Die zunehmenden Spannungen zwischen den Staaten der World Space Agency und der Islamischen Union hatten zwangsläufig zur Folge, dass der soeben abgewehrte Angriff eines Tages erfolgen musste. Und die Luftabwehr der WSA hatte ihn zwangsläufig fehlschlagen lassen. Davon war auch Kathy Wilson überzeugt, als sie die Gasmaske wieder abnahm. Kathy wollte gerade in ihren Laden unweit vom Capitol Hill zurückkehren, als sie noch einmal kurz zum Himmel blickte. Irgendein Geräusch, ein Zischen, das irgendwie nicht in den üblichen Stadtlärm passte, lenkte ihren Blick dorthin. Sie sah einen rasch größer werdenden Punkt auf sich zu rasen, der direkt vor ihr auf dem Boden zerbarst und grüne Gasschwaden freisetzte. Bevor Kathy reagieren konnte, sackte sie hustend und würgend am Boden zusammen. Das Blut, dass Sekunden später aus allen Körperöffnungen trat, nahm Kathy schon nicht mehr bewusst wahr. Auch dass Sie von grässlichen Schüttellähmungen gepeinigt starb, entzog sich bereits ihrer Wahrnehmung. VX-Gas tötet schnell, massenhaft und gründlich. So wie Kathy starben in diesem Moment rund 15.000 weitere Menschen in Washington. In Jerusalem, Moskau, London, Paris, Rom und Berlin spielte sich das Gleiche ab.

Zur selben Zeit überschritten sechs Millionen Soldaten der Islamischen Union die Grenzen nach Russland und in die Türkei. Von Marokko, Tunesien und Lybien aus waren bereits Stunden zuvor Landungsflotten aufgebrochen. Durch massive Luftangriffe unterstützt landeten die islamischen Kämpfer in Südspanien und auf Malta und Sizilien. Während die Welt noch unter Schock stand, rückten die Angreifer zügig vor. Als erstes Land schlug Israel zurück. Während die Armee und die Luftwaffe das kleinen Landes verzweifelt versuchten, die Syrer, Jordanier und Ägypter in Schach zu halten, startete in der Wüste Negev das Unternehmen Jericho. In drei Gruppen starteten 18 Raumjäger zu ihren Zielen. Wenig später gingen Teheran, Kairo und Damaskus unter. In der zweiten Welle folgten Bagdad, Amman und Riad. Die Maschinen der Jericho Gruppe trugen große Bomben mit hoch verdichtetem RDX-Sprengstoff. Die Explosionskraft entsprach der einer taktischen Atombombe, aber die verheerenden Folgen einer Atomexplosion blieben aus. Was die Menschen in der islamischen Welt ereilte, lag auch so jenseits aller Vorstellungskraft. Der nächste Gegenschlag kam von den russischen Raumstreitkräften, die mit den konventionellen Jets der Islamischen Union ein Tontaubenschießen veranstalteten. Währenddessen schlug die zweite Welle der Al-Samar Raketen in den Großstädten der WSA ein. Eine dritte Welle gab es nicht mehr, nachdem Raumjäger aus fast allen angegriffenen Staaten die Abschussbasen im Iran dem Erdboden gleichgemacht hatten. Amerikanische, britische, französische und deutsche Truppen landeten an den nordafrikanischen Küsten. Sie erhielten nach wenigen Tagen Unterstützung vom Mars, Trombur und Talinir. Damit waren die islamischen Kämpfer in Spanien und Italien von ihrem Nachschub abgeschnitten. Russische Truppen stellten sich den Eindringlingen in ihrer Heimat entgegen. Die Luftüberlegenheit der Russen führte dazu, dass der islamische Vormarsch ins Stocken geriet. Panzerverbände der Russen, die mit modernsten T-106 Luftkissenpanzern ausgerüstet waren, stießen tief in die Reihen der Angreifer vor richteten im Hinterland ein heilloses Chaos an. Nach knapp drei Wochen standen die Truppen der WSA in den Hauptstädten der Islamischen Union, oder dem, was davon übrig war. Die veraltete Ausrüstung der Kämpfer Allahs erwies sich als absolut unterlegen. Zudem hatten die Völker im Mittleren Osten zu lange unter Diktaturen gelitten. Ihre Motivation war gebrochen und viele Menschen hofften nun auf Freiheit und Selbstbestimmung.

Vier Wochen nach den ersten Raketeneinschlägen brach der Widerstand in der islamischen Welt endgültig zusammen. Der kürzeste Weltkrieg in der Geschichte der Erde ging seinem Ende zu. Ein Konflikt mit einer verheerenden Bilanz. Die Nervengasangriffe hatten weltweit 540.000 Menschenleben gekostet. Allein der israelische Gegenschlag löschte zwei Millionen weitere Leben aus. Bei den weiteren Kämpfen kam eine weitere Million Menschen ums Leben. Die Zahl der Verletzten, Obdachlosen und Gefangenen war schier unübersehbar. Die humanitären Katastrophen in vielen Ländern der Welt, die dem Krieg folgten, vervielfachten das Elend der Menschen noch. Ausgelöst wurde der Konflikt durch eine jahrelang fortschreitende Radikalisierung der abgeschotteten islamischen Welt. Umso mehr sich die aufgeklärte Menschheit dem Weltall zu wandte, umso mehr Geheimnisse des Universums und des Ursprungs der Menschheit gelüftet wurden, umso mehr igelte sich der Islam in einer immer abstruser werdenden Glaubenslehre ein. Die liberalen Kräfte mussten sich anpassen oder ins Exil gehen. Die verhängnisvolle Entwicklung gipfelte schließlich im Abschuss der ersten Raketen. Nach dem Krieg berieten die Sieger darüber, wie die islamischen Länder demokratisiert werden könnten und wie man ein Wiederaufleben der radikalen Kräfte verhindern konnte. Einer der Beschlüsse legte fest, dass radikale Islamisten und diejenigen, die sie freiwillig begleiten wollten in das Saatur System am Rande des Sternenbundes umgesiedelt werden sollten. Damit begann der größte Exodus der Menschheitsgeschichte. Die kleine Sonne Saatur wurde von 11 Planeten umkreist, von denen zwei, sowie ein Mond bewohnbar waren. Das Leben im Saatur System stand auf einer prähistorischen Entwicklungsstufe. Saatur 1 war eine Wüstenwelt, die für die Söhne Allahs ideal erschien. Bei Saatur 2 handelte es sich um eine von Wäldern und Thundren bedeckten Welt mit großen Meeren. Einer der Gasriesen des Planetensystems wurde von einem eisigen Mond umkreist, der eine Sauerstoff-Stickstoffatmosphäre besaß. Auf diese Welten wurden innerhalb eines Jahres fast vier Millionen Menschen ausgeflogen. Dort konnten sie das Leben leben und die Gesellschaftsform gründen, die ihnen vorschwebte. Neben den Menschen wurden große Mengen an Gerät und Material nach Saatur gebracht. Außerdem erhielten die Islamisten 20 alte Ionenschiffe, damit sie sich innerhalb ihres System bewegen konnten. Die Mandelbrottechnologie erhielten die Verbannten nicht, da man verhindern wollte, dass die Islamisten das System verlassen konnten.

Die Unbekannten

1.02.2012

"Von Saatur kann das Ding nicht stammen, dafür ist es zu weit weg", Jörg schüttelte den Kopf, "Wenn es von Saatur käme, müsste es seit 16 Jahren unterwegs, also lange vor der Besiedlung gestartet sein." Stakks schien etwas sagen zu wollen, hielt sich aber im letzten Augenblick zurück. Bob Zubrin sah zu ihm herüber, "Was ist los, Freunde von Taa? Mir scheint, euch ist etwas aufgefallen!" Stakks wiegte bedächtig den Kopf und sagte, "Wir sind uns nicht sicher, aber irgendwo haben wir diese Schiffsform schon einmal gesehen. Vielleicht in einem der Archive auf Gii. Aber wir können auch irren." "Trotzdem denke ich, wir sollten das überprüfen", warf Issala ein, "es ist ja durchaus möglich, dass sich bei den Menschheitsentstehungen eine Linie abgespalten hat und heute noch Raumschiffe baut, die dieser alten Form ähnlich sind." Stokks nickte der Tromburianerin zu, "Bei unserem nächsten Flug nach Taa werden wir die Gemeinschaft befragen."

Im weiteren Verlauf der Sitzung wurden die bisher bekannten Einzelheiten der fremden Schiffe diskutiert. Obwohl die unbekannten Flugkörper sehr groß waren, schienen sie schlecht zu orten zu sein. Innerhalb des Normalraumes flogen sie mit sehr hohen Geschwindigkeiten. Die Form erinnerte an nichts, was bisher bekannt war. Vorn befand sich eine runde Scheibe von schätzungsweise 500 Metern Durchmesser. Hinter der Scheibe schloß sich ein eiförmiger Teil von gut 300 Metern Länge und geschätzten 200 Metern Durchmesser an. Aus dem hinteren Ende des Eis wuchs ein dünner Gittermast ca. 300 Meter ins All hinaus, an dessen Ende sich ein weiteres, sehr viel kleineres Ei mit einigen Öffnungen befand. Das ganze wirkte, als hätte Salvador Dali eine Space Fantasy gehabt. Bisher hatten die Fremden keinerlei Reaktion auf die Anwesenheit der Marsschiffe in ihrer Nähe gezeigt. Funksprüche beantworteten sie nicht und sie waren meist genauso schnell verschwunden, wie sie auftauchten. Bis zum heutigen Tage hatten acht dieser stillen Begegnungen zwischen Menschen und Unbekannten stattgefunden. Die Fremden waren immer unweit von Saatur aufgetaucht, kurz dort verblieben und dann wieder in der fünften Dimension verschwunden. Das Ganze erschien den Menschen ziemlich rätselhaft. Vielleicht konnten Stakks und Stokks in den Archiven ihrer Heimatwelt etwas herausfinden.

Andromeda?



16.02.2012

Ungeachtet der fremden Schiffe ging das Leben auf den Planeten des Sternenbundes weiter. Nach den umwälzenden Entdeckungen während der Suche nach dem Ursprung der Menschheit vor fünf Jahren, war aus der Menschheit ein Volk von Raumfahrern geworden. Inzwischen pendelten tausende von Schiffen zwischen den Welten des Sternenbundes hin und her. Die Urheber dieses monumentalen Umbruchs in der Menschheitsgeschichte hatten auf dem Mars eine Nation errichtet, die sich der Erforschung des Universums verschrieben hatte. Marsschiffe waren in den letzten Jahren an den Rand des galaktischen Zentrums und in die Kleine Magellansche Wolke vorgestoßen. Andere hatten die Spiralarme der Milchstraße durchquert, Dunkelwolken erforscht und neue Sternsysteme kartographiert. Bis jetzt war erst ein vergleichsweise winziger Teil der Milchstraße erforscht worden, aber fünf Jahre sind auch ein lächerlich geringer Zeitraum für ein solches Vorhaben. Fast monatlich verließ ein Schiffsneubau die Werften rund um First Village. Die neueste Klasse von Fernerkundern wies einen Durchmesser von 750 Metern auf. So ein Gigant konnte praktisch jahrelang autark operieren. Die wissenschaftliche Ausstattung umfasste alles, was sich ein Raumfahrer wünschen konnte. Auch an eine ausreichende Bewaffnung war gedacht worden. Das Weltall hatte sich in der Vergangenheit nicht nur von seiner friedlichen Seite gezeigt. Ein modifizierter Antrieb setzte dem Ganzen noch die Krone auf. Die Mandelbrotgeneratoren der vierten Generation erlaubten es Hyperraumetappen von 600.000 Lichtjahren zurückzulegen. Gegenüber 25.000 bei den "alten Schiffen" ein gewaltiger Fortschritt. Die nahezu unbegrenzten Möglichkeiten, die sich auftaten, riefen auf dem Mars kühne Pläne wach. Das neueste Marsschiff hörte auf den wohlklingenden Namen Destiny. Der Destiny stand auf ihrem ersten Einsatz ein besonderer Leckerbissen bevor. Das Ziel der nächsten Expedition der Marsianer hieß Andromeda. Der Sprung durch den fast drei Millionen Lichtjahre messenden Leerraum sollte gewagt werden. Zur Besatzung würde die gesamte alte Garde der Marspioniere zählen. Das war eine Sache ganz nach dem Geschmack der alten Weltraumhasen. Jörg Schabeck stand mit Pascal Lee und seiner Frau Nataliya auf der Brücke der Destiny und konnte es kaum erwarten mit diesem Baby auf die Reise zu gehen. Wegen des Krieges auf der Erde fielen viele Forschungsvorhaben der letzten Jahre ins Wasser. Aber jetzt ging es wieder los! Begleitet wurde die Destiny von ihrem Schwesterschiff Infinity und der etwas älteren Perry Rhodan. Das 310 Meter Schiff hatte die Menschen bereits in die Große Magellansche Wolke gebracht, wo man auf die Urväter der Menschheit getroffen war. Der Antrieb war auf den neuesten Stand gebracht worden, damit das Schiff mit seinen größeren Schwestern mithalten konnte. Und noch ein alter Bekannter würde mit auf die Reise gehen. Die Mars Discovery, mit der Jörg und seine Mitstreiter vor zehn Jahren als erste Menschen den Roten Planeten erreicht hatten, flog als Beiboot auf der Destiny mit. Der Veteran wirkte wirkte zwischen den Shuttles der dritten Generation und den nagelneuen Raumjägern im riesigen Hangar des Kugelschiffes wie ein Dinosaurier aus längst vergangenen Zeiten. Dabei war es gerade erst zehn Jahre her, dass die Menschheit zum Mars aufgebrochen war. Seitdem hatte sich der Verlauf der Geschichte in eine Achterbahnfahrt mit irrsinniger Geschwindigkeit verwandelt. Und es schien, als würde das zur Normalität werden.

Eine Woche noch, dann sollte die Reise in die Andromeda Galaxie beginnen. Einem Ort im Universum, von dem niemand wusste, was die Forscher dort erwarten würde. All das ging Jörg durch den Kopf, als er versonnen auf der Brücke der Destiny stand. Nataliya pustete ihm ins Ohr und holte ihn zurück in die Wirklichkeit. "Privjet Saika, kak de la? Harascho?", fragte sie auf Russisch. Das tat sie immer, wenn sie ihren Mann aufziehen wollte. "Ja, ja, mit mir ist alles okay.", entgegnete Jörg, immer noch von seinen Gedanken gefangen, "Hab nur gerade ein bisschen nachgedacht." "Du hast was? Ich entdecke ja völlig neue Seiten an dir!", flötete ihn Joshua Tschao fröhlich von der Seite an. Jörg boxte seinem alten Kumpel kräftig in die Rippen. Immerhin war er der Boss hier. Da musste man sich Respekt verschaffen. Nach und nach fand sich die gesamte Crew des ersten Marsfluges auf der Brücke ein. Jörg schaute in die vertrauten Gesichter. 'Alt sind wir geworden.', dachte er, als er sich an die selben Gesichter bei ihrer Landung auf dem Mars vor zehn Jahren erinnerte. Aber wie damals konnte er bei jedem seiner Freunde die Vorfreude auf das Unbekannte erkennen. Bis zum Start war aber noch eine Menge Arbeit zu erledigen. Heute stand ein Rundgang durch die Destiny auf dem Programm. Jeder war mit einem Palmtop, der zur Standardausrüstung der Raumfahrer gehörte bewaffnet. Die kleinen Computer und Kommunikationsgeräte enthielten Checklisten für die verschiedenen Bereiche des Schiffes. Und die mussten heute abgearbeitet werden. Also marschierten sie los und inspizierten das gesamte Schiff. Nicht, dass die Raumschiffe schon ohnehin laufend durch die Techniker der Werft überprüft wurden. Die Rundgänge durch die Marsführung hatten eher einen psychologischen Hintergrund. Zum einen begriff jedes der 425 Besatzungsmitglieder die Wichtigkeit der Kontrollen und wurde daran erinnert, bei seiner eigenen Tätigkeit genauso gründlich zu sein, zum anderen schuf die Anwesenheit der alten Haudegen schlichtes Vertrauen. Und das war auf so einer Reise unentbehrlich. Drei Millionen Lichtjahre! Vor nicht einmal sechs Jahren galten solche Entfernungen noch als unüberbrückbar. Im Verlauf des Rundganges gelangte die Gruppe in den Haupthangar und blieben vor der Mars Discovery stehen. Niemand brauchte etwas zu sagen. Jeder spürte den Drang, in die alte Kiste zu steigen. Heike Wierchowski ging als erste durch die Schleuse, aus der sie vor zehn Jahren gekommen war, um als erster Mensch den Mars zu betreten. Liebevoll strich sie über die Armaturen, die im Gegensatz zur Brücke der Destiny primitiv und antiquiert wirkten. Jeder hing für einen Augenblick seinen Gedanken nach. In den letzten Jahren hatten die Marsianer die unbegreifliche Technik der 2. Entstehung und der Ahnen entschlüsselt, weiterentwickelt und in den modernsten Schiffen, die Menschen je besessen haben vereinigt. Neben der Mars Discovery standen 20 Shuttles und 30 Raumjäger in der riesigen Halle. Zusammen mit den Beibooten der Infinity und der Perry Rhodan ergab das eine beachtliche Raumflotte. Trotz dieser Schlagkraft galt, dass Waffen ausschließlich und ohne Ausnahme zur Verteidigung eingesetzt werden durften. Und jeder hoffte, auch auf dieser Reise gar keine Waffe benutzen zu müssen.

28.02.2012

Von hier aus gesehen war die Sonne zwar immer noch der hellste Stern am Himmel, aber halt doch nur ein Stern unter vielen. Das dachte sich Juri Selmjonow oft, wenn er aus dem Fenster blickte. Nun ja, sein Dienst hier würde morgen beendet sein und dann ging es wieder heim nach Odessa, wo er zwei Wochen Heimataufenthalt genießen würde. Sonne, Meer, frische Luft und seine Familie, das war es wonach er sich sehnte. Juri wandte sich wieder seinen Auswertungen zu. Seit die Menschen vor drei Jahren das Sonnensystem mit einer Reihe von Raumstationen umgeben hatten, leisteten viele Astronautenanwärter ihre ersten Einsätze dort ab. Die Station auf der Juri seinen Dienst verrichtete, unterschied sich in nichts von ihren 11 Schwestern, die am Rand der Oort’schen Wolke in der ewigen Dunkelheit dahintrieben. Die Hauptaufgabe der Stationen bestand in der Kartographierung der Außenbereiche des Sonnensystems, astronomischen Beobachtungen und der Kontrolle des Flugverkehrs. Juri befasste sich gerade mit der Auswertung von Magnet- und Gravitationsanomalien in der Umgegend, die einem Raumschiff, dass in die fünfte Dimension eintreten wollte, den ganzen Tag versauen konnten. Geriet ein Schiff beim Eintauchen in den Hyperraum in eine solche Anomalie, konnte der Austrittspunkt überall liegen, nur nicht dort, wo er sein sollte. In entgegengesetzter Richtung, beispielsweise oder im Kern eines Sterns. Die Gegend die Juri abklopfte schien auch heute keine besonderen Überraschungen bereitzuhalten. Alle Signale, die von den aus geschickten Sonden hereinkamen waren normal. Nichts als Routine. Deshalb hätte Juri auch fast sechs kleine Anzeigen übersehen. Er wollte gerade die Daten der nächsten Sonde abrufen, als er noch einmal auf das Linienmuster auf dem Schirm blickte. Irgendwie sah es heute anders aus. Die Veränderungen waren zu klein, als dass der Computer Alarm geschlagen hätte, aber sie waren da. Sechs kleine Unregelmäßigkeiten, die wie an einer Schnur aufgezogen ca. 900 Millionen Kilometer in Richtung Sirius im Raum standen. „Luca, schau dir das mal an!“, rief er seinem italienischem Kollegen zu, ohne den Blick vom Monitor abzuwenden. „Was soll ich mir anschauen, mein kleiner russischer Wodkafetischist? Deinen Monitor? Der ist aus Japan und ganz toll. Aber ich hab genauso einen, ätsch!“ Juri schaute den Italiener an und deutete mit dem Finger auf das Linienmuster. „Madonna, was ist das denn?“, Luca sah genauer hin und stutzte, „das muss künstlich sein, Genosse!“ Juri verdrehte genervt die Augen. Für den Sizilianer war jeder der östlich von Deutschland lebte Russe, Wodkatrinker und Kommunist. Juri war zwar nichts von alledem, aber er ließ seinem Kollegen den Spaß. „Das sollten wir melden und zwar sofort!“, entschied Juri und drückte die Intercomtaste. „Gevron, hier ist Juri. Ich gebe dir mal die Ergebnisse von Sonde OP2/48 auf den Schirm. Das scheinen künstliche Anomalien zu sein.“, informierte er seinen Kommandanten. „Alles klar, ich seh mir das mal an.“, gab der junge Mann vom Planeten Talinir zurück. Zwei Minuten später jaulte der Alarm durch die Station. Plötzlich verwandelte sich der ruhige und konzentrierte Arbeitsablauf auf Outpost 2 in einen Hexenkessel. Alle Ortungseinrichtungen wurden auf die betreffende Position gerichtet. Aus dem Sondenhangar schossen 18 der kleinen Späher, um Juris Entdeckung genauer zu untersuchen. Jedes der 30 Besatzungsmitglieder hatte plötzlich das Gefühl auf etwas Außergewöhnliches gestoßen zu sein. Outpost 2 verfügte über drei Blackflash Raumjäger, die ebenfalls in den Raum schossen. Die Jäger konnten die Anomalien viel schneller erreichen, als die Sonden. Der erste Blackflash schwenkte gerade auf die Position ein, als der Navigator auf dem Orter wies. Dort standen sechs deutliche Echos exakt in Position und Abstand der Anomalien. „Black 2 an White Mother, vier Grad vor den Anomalien stehen sechs der fremden Schiffe.“, meldete der Pilot unverzüglich an die Station zurück. „Seid ihr sicher, dass es die Fremden sind, Black2?“, hakte der Funker auf Outpost 2 nach. „Eindeutig, White Mother. Sie stehen genau vor den Anomalien. Was sollen wir tun?“ „Black 2, schaltet euren Orter auf unseren, damit wir die Fremden erfassen können. Geht nicht näher ran.“ „Roger White Mother, bleiben auf Position, Orter ist geschaltet.“
Auf Outpost 2 wurde unverzüglich eine Sonde mit den Ortungsdaten gespeist und zum Mars geschickt. Die anderen Sonden erhielten den Auftrag sich den Fremden bis auf 1000
Kilometer zu nähern und alle erhältlichen Daten aufzunehmen. Vor allem aber sollten sie Bilder schießen.

Währenddessen traf vom Mars eine Sonde mit Instruktionen ein. Dort hieß es, dass die Vasco da Gama, ein Forschungsschiff der 310 Meter-Klasse auf dem Weg sei. Knapp sieben Minuten später tauchte die schwarze Kugel aus dem Hyperraum auf. Die Schiffe der Fremden rührten sich nicht. Enrico Clavio, der Kommandant der Vasco da Gama ließ sich kurz von Gevron ins Bild setzen. Clavio entschied sich, umgehend zu versuchen mit den Schiffen vor ihm in Kontakt zu treten, bevor man sich dort wieder aus dem Staub machte. „Hier spricht Kommandant Enrico Clavio von der Vasco da Gama. Ich rufe die sechs fremden Schiffe. Wenn Sie mich verstehen, antworten Sie bitte. Wir haben keinerlei feindliche Absichten und möchten mit Ihnen in Kontakt treten.“ Clavios Botschaft wurde in alle bekannten Sprachen übersetzt und auf allen Frequenzen abgestrahlt, aber nichts geschah.

Der Edle Burlo Tan betrachtete die große Kugel und die vielen kleinen Raumflugkörper auf dem Orterschirm. So nahe war man den Schuldigen noch nie gekommen. Neben ihm stand der Kömmling Rabo Won und blickte ebenfalls auf die Ansammlung, die ihnen gegenüberstand. Ein Gemeiner trat hinzu und grüßte die beiden höher stehenden indem er die Hände mit den Handflächen nach oben ausstreckte. „Edler, Kömmling, erlaubt mir mitzuteilen, dass die Schuldigen uns rufen.“ Burlo drehte sich kurz um und machte eine lässige Handbewegung. „Berichte, Gemeiner!“ „Das große Schiff der Schuldigen sendet eine Botschaft auf allen Frequenzen und in vielen Sprachen, unter anderem auch in der der Mörder. Sie wünschen Kontakt mit uns und behaupten keinerlei feindliche Absichten zu hegen.“ Burlo nickte und gab dem Funker mit einem Handzeichen zu verstehen, sich zu entfernen. „Nun Rabo, was haltet ihr davon?“ Rabo blickte auf den Schirm und dachte nach, bevor er antwortete. „Edler Burlo, ich denke wir sollten ihnen antworten, aber so, wie es in der Legende der Rache vorgesehen ist. Ob es nun hier beginnt oder ein anderer die Ehre des ersten Schlages einstreicht, ist gleich.“ Burlo wandte sich um. Auch er überdachte das Gehörte. Dann straffte er sich und sagte kurz „Gut, die Rache möge beginnen.“

Sowohl auf der Vasco da Gama, wie auch auf der Raumstation warteten alle auf eine Antwort der Fremden. Aber nach wie vor geschah überhaupt nichts. Dann kam Bewegung in die seltsame Formation, die ca. 12000 Kilometer entfernt stand. Die fremden Schiffe drehten sich und nahmen Fahrt auf. Drei hielten auf die Vasco da Gama zu, die anderen drei näherten sich Outpost 2. Clavio befahl eine weitere Sonde zum Mars zu schicken, um die letzten Entwicklungen mitzuteilen. Dann ordnete er an, die Schiffswaffen zu aktivieren. Nur für den Notfall, denn die Fremden hatten sich bis jetzt nicht sonderlich kooperativ gezeigt. Außerdem wurden die Raumjäger des Forschungsschiffes gestartet, um notfalls eingreifen zu können. Die seltsamen Schiffe der Fremden kamen derweil immer näher. Als die Entfernung noch 2000 Kilometer betrug, blitzte es am Bug der Unbekannten kurz und tiefrot auf.

Auch Juri sah die Blitze. Und er sah noch etwas. Die Wand der Raumstation wurde an vielen Stellen rissig und löste sich rasend schnell in Millionen Teile auf. Juri wurde von einem Sog erfasst und in den Weltraum gezogen Bevor er begriff was geschah, hatte ihn die eisige Kälte des Alls bereits getötet. Die Station erhielt weitere Treffer, bis sie auseinanderbrach und wie in Zeitlupe davontrieb. Die Vasco da Gama hielt ein paar Minuten länger durch, erlitt aber das gleiche Schicksal. Stella Carlseng, die Pilotin von Black 2 verfolgte die Szene mit maßlosem Entsetzen. Ihr Navigator Nelson Ebrima saß ebenfalls starr in seinem Sitz. Der Geist wollte einfach nicht akzeptieren, was die Augen sahen. Völlig unvermittelt hieb Stella auf den Waffenschalter und riss den Jäger herum. Äußerlich glich ein Blackflash Jäger dem SR-71 Spionageflugzeug, das die Amerikaner um 1960 herum entwickelt hatten. Die Menschen liebten es, Raumschiffe nach historischen Vorbildern zu bauen. In den Gondeln wo das Original früher die mächtigen Düsentriebwerke hatte, waren in der heutigen Version die Waffen untergebracht. Die Jäger verfügten über die neuen Hyperguns, deren Geschosse noch im Lauf in die fünfte Dimension eintraten, um dann am oder im Ziel wieder in das Einsteinuniversum einzutreten. Stella visierte das Schiff an, das dem Jäger am nächsten stand und feuerte auf die große Scheibe am Bug des Fremden.

Auch Burlo sah das Ergebnis seines Befehls. Selten hatte er solche Genugtuung erfahren. Die Infrarotlaser seiner Schiffe hatten die beiden großen Raumflugkörper der Schuldigen in Minuten zu Staub werden werden lassen. Burlo dachte nicht daran, sich mit den kleinen Schiffen zu befassen. Das waren eh nur unbemannte Späher, auf denen man keine Schuldigen töten konnte. Als mit einem ohrenbetäubenden Knall die Tür der Kommandozentrale nach innen gedrückt wurde und ein Feuerschwall, der offenbar den abgetrennten Kopf eines Besatzungsmitgliedes vor sich hertrieb in den Raum drang, schoss ihm durch den Kopf, dass er einen Fehler gemacht hatte. Burlo warf sich in Deckung. Ein weiterer Knall drückte die Intrumentenwand rechts nach innen. Brennende Trümmer sausten durch die Luft. Burlo sah, wie Rabo nach den Kontrollen griff und das Schiff beschleunigte. ‚Gut!’, dachte er, ‚der Junge bringt uns hier raus.’ Dann traf ihn ein Trümmerstück am Kopf und raubte ihm das Bewusstsein.

Zwischenzeitlich hatten alle Jäger das Feuer auf die Fremden eröffnet. Aber die acht winzigen Kampfmaschinen konnten gegen die sechs Riesenschiffe nur wenig ausrichten. Einer nach dem anderen wurden von den Gegnern erfasst und abgeschossen. Stellas Jäger erhielt einen Treffer am Heck, als sie gerade zu einem neuen Angriff ansetzen wollte. Sie schrie noch „Raus hier“ und löste den Schleudersitz aus. Nelson schoss eine Sekunde später aus dem Cockpit. Durch das Auslösen des Rettungsmechanismus schlossen sich automatisch die Raumhelme der Piloten und die Anzugheizungen traten in Aktion. Als Nelson nach oben blickte, sah er, dass sie sich genau auf eines der fremden Schiffe zu bewegten. Der Sitz trieb unter ihm weg, so dass er im freien Fall auf die riesige Scheibe vor ihm zufiel. Nach einigen Minuten füllte sie den gesamten Himmel über ihm aus. Beim näher kommen sah er, dass die Oberfläche der Scheibe keinesfalls glatt war. Viele Einbuchtungen und kleine Leitern waren darauf angebracht. Geistesgegenwärtig zündete Nelson die Bremsdüsen in seinem Anzugtornister. Er konzentrierte sich darauf, möglichst sanft zu landen. Jetzt waren es nur noch ein paar Meter. Nelson streckte den Arm aus, um nach einer Sprosse oder einem Griff direkt vor ihm zu greifen. Seine Hand griff zu und er schwang sich herum. Der Aufprall war kaum spürbar. In etwa 100 Metern Entfernung sah er Stella, die ebenfalls Halt gefunden hatte. „Stella, kannst du mich hören? Bist du okay?“, schrie er in seinen Helmfunk. „So okay, wie man in dieser Scheißsituation sein kann.“, gab Stella keuchend zurück, „Ich komme zu dir rüber.“ Stella erreichte ihren Navigator wenig später. Sie aktivierte den Palmtop der auf ihren Unterarm geschnallt war und setzte eine Funknachricht ab, in der sie die Situation in der sie und Nelson sich befanden, ausführlich erläuterte. Die Sonden der Outpost 2 mussten noch in der Nähe sein und die Nachricht empfangen. Ansonsten würde man den Funkspruch sicher auch auf dem Mars empfangen. Das würde allerdings erst in 15 Sunden geschehen. Stella kontrollierte ihren Sauerstoffvorrat, der noch für knapp 20 Stunden reichte. Die Sonden würden ihrer Programmierung folgend den Rückflug zum Mars in einer Stunde antreten, da ihre eigentliche Basis nicht mehr vorhanden war. Die Reise dorthin dauerte ungefähr drei Stunden. Wenn jemand auf dem Mars innerhalb einer Stunde reagierte und ein Rettungsschiff schickte, vergingen weitere fünf Stunden, bis das Schiff eintraf. Sollten sich die Fremden dann immer noch hier aufhalten oder gar Verstärkung bekommen, bedeutete das nur, dass ihre Retter hier ebenfalls den Tod finden würden. Stella beschloss deshalb vorläufig dort zu bleiben, wo sie war. Nelson griff nach ihrem Arm und zeigte auf seinen Palmtop. Während Stella ihren Funkspruch abgesetzt hatte, verbrachte Nelson die Zeit damit zu prüfen, ob er irgendetwas aus dem fremden Schiff empfing. Der Palmtop registrierte dabei alle Frequenzen auf denen Signale eingingen, so dass ein für den Sender typisches Spektrum entstand. "Schick das sofort an eine Sonde", empfahl Stella, "vielleicht können die auf dem Mars was damit anfangen." Nelson tat, wie ihm geheißen, als sich die Sterne plötzlich bewegten. Das fremde Schiff beschleunigte! Stella konnte beobachten, dass die anderen Schiffe ebenfalls Fahrt aufnahmen. Sie klammerte sich fest, als die Beschleunigung spürbar zu nahm. Kurz darauf verschwamm die Umgebung und neue Sterne tauchten auf. Die Fremden waren durch den Hyperraum geflogen. Stella hatte keine Vorstellung über die Richtung oder Entfernung, als die Schiffe erneut in den Hyperraum gingen. Nach der vierten Etappe stellten die Gestrandeten entsetzt fest, dass sie sich außerhalb der Milchstraße befanden, die nun majestätisch den Himmel hinter ihnen ausfüllte. Nelson tippte sie erneut an. "Wir müssen irgendwo rein, bevor die Typen auf einem Planeten landen. Sonst verglühen wir hier beim Eintritt." Beide sahen sich auf der Außenhaut um. Sie hingen tatsächlich an einer Art Leiter, die ca. 50 Meter über ihnen zu enden schien. Das andere Ende lag etwa 20 Meter unter ihnen. Unten zeichnete sich etwas, wie eine Ausbuchtung ab. Nelson hatte Recht. Zu versuchen in das Schiff zu gelangen, war zwar gefährlich, aber immer noch besser, als bei der Landung zu verbrennen. Die Ausbuchtung stellte sich geschlossenes Gebilde ohne erkennbare Fugen oder Öffnungsmechanismen heraus. Auf der linken Seite lief eine Art Geländer weiter nach unten. Stella und Nelson hangelten sich daran entlang, bis sie auf etwas stießen, das wie eine ganz normale Klappe aussah. Die Scharniere waren deutlich zu erkennen. Auf der anderen Seite befand sich ein Hebel, der offenbar zum Öffnen der Klappe diente. Daneben konnte man durch eine Art Bullauge einen Blick in das Innere des seltsamen Raumschiffes werfen. "Dahinter ist ein leerer Raum, mehr kann ich nicht erkennen.", flüsterte Stella, als sie hindurchsah. Nelson setzte sich währenddessen mit dem Hebel auseinander, der ein ganz einfaches, mechanisches Modell zu sein schien. Bewegen ließ er sich dennoch nicht. Nelson zog kurzerhand seine
Waffe und schoss auf die Stelle, an der er den Riegel vermutete. Mit einem kurzen Ruck zog er die Klappe auf, die plötzlich nach oben schnellte. Aus der Öffnung drang die Atmosphäre aus dem Schiffs inneren ins All. Hoffentlich hatte niemand an Bord das Öffnen oder den kurzen Druckabfall registriert und Alarm gegeben. Mit vorgehaltener Waffe tauchte er durch die Luke. Der Raum, in den sie gelangt waren wirkte klein und vor allem schmutzig. Die Wände und der Boden waren mit einer dicken Schlammschicht überzogen, die teilweise mit ins All entwichen war. Ansonsten war der Raum leer. An der gegenüberliegenden Wand befand sich eine weitere Klappe, die scheinbar automatisch betrieben wurde. Im Boden war eine weitere Luke zu erkennen, die der ähnelte, durch die sie gekommen waren.

Nelsons Sorge bezüglich eines möglichen Alarms hätte sich zerstreut, wenn er die Zentrale der Burlo-1 hätte sehen können. Rund um das Herz des Schiffes waren drei von Stellas Granaten detoniert und hatten den größten Teil der Kontrollen zerstört. Der größte Teil der hier diensthabenden Mannschaft war dabei getötet oder verletzt worden. Das Schiff musste per Hilfssteuerung geflogen werden, was bedeutete, dass nur die notwendigsten Kontrollen zur Verfügung standen. Der Kommandant lag bewusstlos auf der Krankenstation, so dass jetzt Rabo das Kommando führte. Der größte Teil der noch einsatzfähigen Mannschaft führte die notwendigsten Reparaturarbeiten durch, um die Burlo-1 einigermaßen flugfähig zu halten. In den Außensektionen des Schiffes hielt sich praktisch niemand mehr auf.

Nelson öffnete die Luke im Boden auf dieselbe Weise, wie die Außenluke. Darunter führte eine Leiter in einen spärlich beleuchteten Schacht hinunter. Nachdem die Atmosphäre aus dem Schacht entwichen war, kletterten sie die Leiter hinunter. Stella klappte die Luke hinter sich zu und verriegelte sie so gut es ging. Am unteren Ende der Leiter befand sich eine weitere Luke, die unverschlossen war. Sie gelangten in eine Kammer, die mit Regalen, in denen scheinbar Werkzeuge lagerten vollgestellt war. Stella verschloss die Luke und sah sich um. Seltsam, alles schien auf menschliche Größenmaßstäbe zurecht geschnitten zu sein. Stella konnte auch den Sinn einiger Werkzeuge im Regal ermitteln. Nelson tippte auf seinem Palmtop herum und klappte plötzlich das Helmvisier auf. "Die Luft ist atembar," verkündete er und rümpfte im selben Moment die Nase, "und stinkt wie ein Komposthaufen!"

Auf der Destiny liefen derweil die Vorbereitungen für die nächste Hyperraumetappe. Josh hatte vor 20 Minuten eine Sonde zum Mars gesandt, um einen ersten Bericht über die Expedition abzugeben. Die Menschheit sollte ja quasi live dabei sein. Was ihn ehrlich überraschte war die Ankunft einer Antwortsonde nur wenige Minuten später. Seine eigene konnte das Sonnensystem nämlich noch gar nicht erreicht haben. Die Neuigkeiten, die der Besucher aus der Heimat auf seinen Schirm spuckte, ließen den erfahrenen Raumfahrer aus Gambia für einen Augenblick erstarren. Die Fremden, um die man sich bisher so wenig Gedanken gemacht hatte, zeigten ihr wahres Gesicht. Josh las weiter. 113 Tote hatte es gegeben, zwei Raumfahrer wurden vermisst. Soweit bekannt hatten sie sich auf die Außenhülle eines fremden Schiffes gerettet und waren mit den Schiffen verschwunden. Bevor er weiter las informierte er die Besatzung in der Zentrale. Die erste Reaktion bestand aus Stille und Betroffenheit. Die zweite Reaktion war, dass Jörg über Intercom anordnete, die Expedition sofort abzubrechen und zum Mars zurückzukehren. Dann löste er Alarm aus, was dazu führte, dass auf allen drei Schiffen die Waffen aktiviert wurden. Piloten stürmten zu ihren Jägern und Shuttles und machten sie einsatzbereit. Alle Aktionen liefen ohne viele Worte ab. Jeder hatte so seine Probleme zu begreifen, dass die Menschheit schon wieder in einen Krieg hineinschlitterte. Eine neue Sonde tauchte auf und strahlte ihre Botschaft ab. Diesmal war Blue Heaven angegriffen worden. Es hieß, dort sei unmittelbar nach dem Start ein Versorgungsschiff vernichtet worden. Als die Expeditionsflotte nach dem Hypersprung in der Nähe des Sonnensystems auftauchte, gingen alle paar Minuten Nachrichten über neue Angriffe ein. Auf der Erde mobilisierte die WSA bereits sämtliche Streitkräfte. Auf Trombur riegelte seit zwei Stunden jedes kampffähige Schiff den Planeten ab. Der Sternenbund befand sich von einer Stunde auf die andere im Kriegszustand.

Nelson verschlang gerade eine Notration, als der Boden unter ihm merklich zu zittern begann. Auch Stella spürte das vibrieren. "Sieht aus, als ob wir landen", grummelte Nelson kauend vor sich hin. "Prima und was machen wir dann?" wollte Stella wissen. "Wenn wir überleben wollen, werden wir uns verstecken müssen" antwortete Nelson. "So viel ist klar, aber was dann? Wie machen wir weiter? Und wo sind wir überhaupt?" "Keine Ahnung, ich denke knapp außerhalb der Milchstrasse. Große oder kleine Magellansche Wolke, was weiß ich. Irgendwie müssen wir es herausfinden. Aber bevor wir uns darüber Gedanken machen, müssen wir hier unbemerkt raus und ein Versteck finden.", gab Nelson zu bedenken. "Das machen wir auf dem gleichen Weg, wie wir reingekommen sind. Ich frage mich, ob da draußen Tag oder Nacht ist. Das alles sieht hier schwer danach aus, als ob wir es mit Menschen zu tun haben. Da käme uns die Nacht entgegen. Und wir müssen uns darauf einrichten hier längere Zeit zu verbringen." Mit diesen Worten öffnete Stella die Luke in der Decke und zog sich hinauf. Nelson folgte ihr. Stella öffnete vorsichtig die obere Luke des Schachtes und zog sie blitzartig wieder zu. Die Außenluke des Raumes durch den sie hinein gelangt waren stand offen. Und vor der Öffnung zeichneten sich die Umrisse einer menschlichen Gestalt ab.

Nach der Landung von Burlos Staffel auf dem Raumhafen von Queenx begannen sofort die üblichen Wartungs- und Reinigungsarbeiten. Die Toten wurden geborgen, die Verletzten brachte man in das Hospital des Hafens. Jardo fluchte mal wieder ausgiebig über seinen Job. Zusammen mit einem anderen Gemeinen war er für die Entsorgung der Fäkalien der Staffel zuständig. Dazu fuhr er mit einem Hebelift bis zur Entsorgungsklappe hoch und legte ein Saugrohr in die dahinter liegende Kammer. Sobald das Saugrohr in Betrieb war, öffnete sich eine automatische Luke an der Rückwand der Kammer pumpte die angefallenen Fäkalien hinein. Jardo hatte gerade das Rohr in der Hand, als er sah, dass sich die Bodenluke der Kammer kurz öffnete und wieder schloss. Er drehte sich zu seinem Kollegen und lachte. "Hast du das gesehen? Da wollte doch eben einer dieser dussligen Mechaniker in die Scheißekammer klettern!" Sein Kollege lachte ebenfalls. "Schade, einen Augenblick zu früh. Stell dir vor der hätte den Kopf rausgestreckt, wenn die ganze Scheiße gerade rein gekommen wäre. Ha, stell dir das blöde Gesicht vor! Du machst ne Luke auf und kriegst einen Haufen Scheiße in die Fresse." Damit war der Fall für die beiden erledigt.

Stella und Nelson lauschten angespannt. Waren Sie entdeckt worden? Draußen hörten sie ein paar Sätze in einer fremden Sprache und meckerndes Lachen. Dann folgte ein Quietschen und kurz darauf schmatzende, blubbernde Geräusche. Da die Bodenluke der Kammer aufgrund der gewaltsamen Öffnung nicht mehr richtig schloss, tropfte eine braune, stinkende Masse in den Schacht. Stella konnte den Tropfen noch ausweichen, aber Nelson, der unter ihr hing, bekam eine Ladung ab. Er grinste schief und sagte, "Na ja, wenigstens wissen wir jetzt, dass auch die kacken müssen."

An Bord der Destiny herrschte eine gedrückte Stimmung. Der große Aufbruch in eine unerforschte Galaxie hatte sich in einen neuen Krieg verwandelt. Heike brachte auf den Punkt was viele dachten. "Wer sind diese Arschlöcher eigentlich? Warum greifen sie uns an? Haben wir denen irgendwas getan? Seit wir im All rumkutschen gibt es ständig Ärger mit irgendwelchen Durchgeknallten!" Jaqueline sah zu ihr herüber und nickte. "Ich wüsste auch gern weshalb wir angegriffen werden. Die Völker, die wir bisher angetroffen haben führen ja auch nicht grundlos Kriege." "Wenn wir es richtig betrachten, haben wir sie ja noch gar nicht getroffen. Bisher ist keinerlei Kontakt zustande gekommen. Vielleicht gibt es ja im Universum auch grundsätzlich kriegerische Völker. Vielleicht haben die hier ja so eine Art Alleinvertretungsanspruch", warf Jörg ein. Josh drehte sich auf seinem Stuhl herum. "Das können wir sie gleich selbst fragen. Fünf Anomalien auf 300, 60, 217. Entfernung 10300 Kilometer. Jetzt fünf Schiffe geortet, halten auf uns zu!" Die Meldung löste jede Menge Aktivität aus, aber keine Hektik. Diesmal war man vorbereitet. Die Zielorter der Bordwaffen erfassten die fremden Eindringlinge, Jäger starteten in den Raum und alle Sicherheitseinrichtungen wurden aktiviert. Dazu gehörte auch, dass jeder, der aufgrund des Voralarms nicht ohnehin seinen Raumanzug trug, diesen jetzt anlegte. "Infinity, Perry Rhodan, ohne Vorwarnung das Feuer eröffnen!", befahl Jörg, "Gebt ihnen alles, was wir haben. Jägerformation, erste Salve abwarten, dann angreifen! Aber geht nicht zu nahe ran, verstanden?" Die Fremden näherten sich weiter an. Die Nasen ihrer Schiffe richteten sich auf die drei Kugeln vom Mars aus. Die Waffenreichweite der Fremden war nicht bekannt, die eigene schon. Als die Entfernung noch 3000 Kilometer betrug, eröffnete die Infinity das Feuer. Granate auf Granate entmaterialisierte in den großkalibrigen Hyperguns. Der Erfolg ließ nicht auf sich warten. Das fremde Schiff, das der Infinity am nächsten stand, wurde in einen Halo von Explosionen getaucht und flog in einer riesigen Feuerblume und unheimlicher Stille auseinander. Die anderen Marsschiffe fielen in das Feuer der Infinity ein, was die Fremden zu heftigen Ausweichmanövern veranlasste. Auf 2000 Kilometer erwiderten die Gegner den Beschuss. Auf der Destiny löste ein Treffer der unheimlichen Strahlenwaffen rund 20 Quadratmeter der Bordwand auf. Inzwischen griffen die Raumjäger massiv in das Gefecht ein. Die Fremden sahen sich plötzlich von drei Seiten unter Beschuss. Ein weiteres ihrer Schiffe erhielt einen Volltreffer und trudelte brennend davon. Die Perry Rhodan beschleunigte und flog einen ausgedehnten Halbkreis, um sich hinter die gegnerischen Schiffe zu setzen. Die drei überlebenden Angreifer waren eingekreist und wurden systematisch zu Bruch geschossen. „28 Anomalien auf 44, 172, 05, Entfernung 33000 Kilometer“, meldete Josh, „Leute, die binden uns den Arsch hoch.“ Jörg steckte in der Klemme. Angesichts der anrückenden Übermacht wusste er nicht, was er tun sollte. „14 Anomalien auf 163, 08, 91, Entfernung 28000 Kilometer.“, drang ihm Joshs Stimme in die Gedanken. „Verdammt,
die kreisen uns ein! Perry Rhodan, Raumjäger, sofort um die Destiny sammeln. Wir bildem eine Kugelformation und verkaufen unsere Haut so teuer wie möglich. An alle Hyperguns: Auf größtmögliche Distanz feuern!“ Jörg wandte sich an Natalya „Das halten wir nicht mehr lange durch, Schatz. Schick sofort eine Sonde zum Mars. Die sollen Hilfe schicken.“ „Ist vor acht Minuten von der Infinity abgegangen. Aber sie wird zu spät kommen, fürchte ich.“ Natalya sah ihren Mann betrübt an. Sie waren alle keine Kämpfer und das was hier gerade stattfand, bedrückte jeden zutiefst. Die Aussicht dabei auch noch zu sterben, machte die Sache nicht besser.

Nachdem der Krach draußen aufgehört hatte und die Außenluke hörbar zugeschlagen wurde, wagten Stella und Nelson einen neuen Versuch aus dem Schiff zu kommen. Stella drückte die Außenluke auf und sah vorsichtig hinunter. Überall wimmelte es von Mechanikern, die mit der Instandsetzung des Schiffes beschäftigt waren. Zudem war noch hellichter Tag. Das Landefeld schien sich endlos zu erstrecken und überall standen Raumschiffe. Es mussten tausende sein. Nach dem kurzen Rundblick beschloss sie mit Nelson die Nacht abzuwarten. Wie lang mochte ein Tag hier sein. Vor einer Entdeckung würden sie hier in den nächsten Stunden sicher sein. Diese Kammer würde wohl niemand freiwillig betreten. Es stank erbärmlich. Die nächsten Stunden verbrachten sie schweigend. Keiner der beiden hatte eine Vorstellung davon was sie tun sollten, wenn es ihnen tatsächlich gelang das Schiff zu verlassen. So brüteten sie vor sich hin, bis das Licht, das durch das Bullauge fiel merklich schwächer wurde. Eine Stunde später verstummte auch der Lärm der Reparaturarbeiten. Stella öffnete erneut vorsichtig die Tür und versuchte in der Dämmerung etwas zu erkennen. Alles schien ruhig zu sein. Sie gab Nelson ein Zeichen und kletterte hinaus. Die Luke lag etwa 30 Meter über dem Boden. Eine Leiter führte hinab. Während des Abstiegs hielten sie immer wieder an und sahen sich um. Als sie nur noch fünf Meter über dem Boden waren, hielt Stella abrupt an. Aus dem Schatten des Schiffes trat ein Posten heraus und schlenderte in Richtung Heck. Der Mann trug eine gruselig aussehende Waffe mit sich herum. Stella und Nelson pressten sich noch dichter an Wand. Hoffentlich drehte sich der Kerl nicht um. Als der Soldat weit genug weg war, kletterten sie vorsichtig auf den Boden hinunter. Sie schlichen behutsam um das Schiff herum. Nur, wohin jetzt. Nelson deutete nach links. Dort schien das Landefeld in ca. zwei Kilometern Entfernung zu enden, soweit das im Dämmerlicht abschätzbar war. Die Gestrandeten schlichen sich von Raumschiff zu Raumschiff und wichen den vereinzelten Posten aus. Schließlich lagen sie am Rand des Landefeldes, das in eine scheinbar mit Gras bewachsene Ebene überging. Einen Zaun gab es nicht. Ein paar Kilometer weiter erhob sich eine Hügelkette. Bauten waren hier nirgends zu sehen. Stella und Nelson robbten los, bis sie sich außer Sichtweite der Posten wähnten. Dann standen sie auf und rannten auf die Hügelkette zu. Ab und zu huschte etwas vor ihnen im Gras davon. Sie erreichten die Ausläufer der Hügel eine gute Stunde später. Bis jetzt waren sie unbehelligt geblieben. Inzwischen war es völlig dunkel. Stella wagte es, ihre Taschenlampe anzumachen und den Strahl vorsichtig über den Boden wandern zu lassen. Nelson suchte derweil durch das Visier seiner Waffe die Umgebung ab. „Es hat keinen Sinn, in der Dunkelheit in den Hügeln herum zu kraxeln. Wir bleiben hier. Da hinter den Felsen scheint ein guter Platz zu sein“, sagte Stella. Der Platz erwies sich tatsächlich als gut geschützt und schwer einsehbar. Erst jetzt viel Stella auf, dass es trotz der Dunkelheit relativ warm war. Sie sah auf ihren Palmtop und las 19° C ab. Nelson blickte zum Himmel. Die Sternkonstellationen, die er sah kannte er nicht. Was sich aber über deutlich abzeichnete war das Band der Milchstraße, die in der Richtung, in der Nelson Osten vermutete mehr als die Hälfte des Himmels ausfüllte. „Wir müssen uns in einer der Magellanschen Wolken befinden. Warte mal, wenn’s die große ist, müsste ich irgendwo 1987A finden. Die Supernova müsste dann recht hell sein. Stella, kannst du dir mal den Norden vornehmen? Stella?“ Nelson beendete seine Ausführungen und drehte sich erschrocken um, als er nichts von seiner Begleiterin hörte. Die lag aber bereits zusammengerollt am Boden und schlief tief und fest.

Die Marsschiffe hatten ihre Kugelformation fast vollendet. Sie verfügten so über geballte Feuerkraft und konnten sich gegenseitig schützen. Dennoch standen die Chancen hier heil herauszukommen ziemlich schlecht. Insgesamt 42 Feindschiffe hielten auf die Formation der Menschen zu. Die kleine Marsflotte hatte inzwischen gut die Hälfte ihrer Munition verschossen. Lange würden sie nicht mehr durchhalten. Jörg wies jedem Geschütz und jedem Jäger ein Ziel zu. Er hoffte möglichst viele Gegner ausschalten zu können, bevor sie in Schußreichtweite kamen. „32 Anomalien auf 06, 93, 19, Entfernung 53000 Kilometer!“, meldete Josh zu allem Überfluss. Damit standen sie 74 Feinden gegenüber. Ihre Lage wurde von Minute zu Minute aussichtsloser. Jaqueline sandte einen Notruf aus. Vielleicht hielten sich ja in der Nähe noch andere Schiffe des Sternenbundes auf, die schnell eingreifen konnten.

Jenari Kepajev fluchte leise vor sich hin. Der Kommandeur des 67. Geschwaders der russischen Raumstreitkräfte wartete seit mehr als zwei Stunden auf das überfällige 17. Geschwader aus Japan. Und das in dieser gottverlassenen Ecke des Sonnensystems. Die beiden Raumjägergeschwader sollten sich hier treffen und nach Blue Heaven abrücken, um den Planeten vor weiteren Angriffen zu schützen. Insgesamt 64 Jäger der Baikal- und der Zero-Klasse sollten sich hier versammeln. Bei den Japanern hatte sich aufgrund technischer Probleme der Abflug verzögert, also wartete Kepajev halt. „Sun 17 ruft Bear 67“, tönte plötzlich eine Stimme aus dem Helmempfänger, „hier spricht Ayumi Koshima von den japanischen Raumstreitkräften. Wir sind im Anflug auf euch.“ „Hier Bear 67, das wurde aber auch Zeit Sun 17! Okay junge Dame, wir formieren uns und dann nichts wie ab zur Wega.“ Kurz darauf gesellten sich die japanischen Maschinen zu ihren russischen Kameraden. Kepajev checkte noch einmal, ob alle Maschinen okay waren, als sein Helmempfänger wieder zum Leben erwachte „Hier spricht die Destiny. Wir werden von einer feindlichen Übermacht angegriffen und können uns nicht mehr lange halten. Unsere Position ist 15, 312, 45. Dies ist ein Notruf! Ich wiederhole, dies ist ein Notruf.“ Kepajev antwortete Jaqueline und checkte seine eigene Position. Die beiden Geschwader standen nur 210.000 Kilometer entfernt. In zehn Minuten konnten sie da sein. Er gab einige kurze Anweisungen, woraufhin die Jägerflotte einen Schwenk durchführte und mit voller Kraft beschleunigte.

Die ersten Schiffe kamen in Feuerreichweite und wurden sofort unter Beschuss genommen. Nach jedem Schuss wurde das Ziel erneut anvisiert, damit jede Granate saß. Auf diese Weise wurden 21 gegnerische Raumschiffe vernichtet, bevor die auch nur einen Schuss abgeben konnten. Außerdem war Hilfe unterwegs. Angesichts der gestiegenen Chancen keimte an Bord der Marsschiffe die leise Hoffnung auf, hier doch noch lebend raus zukommen. Im Augenblick mussten sich die Kugelschiffe weitgehend selbt verteidigen, da fast alle Jäger in den Hangars aufmunitioniert wurden. Die verbliebenen Gegner waren jetzt fast auf Schussweite heran, so dass die Jäger schleunigst wieder raus mussten. Die Infinity, die am weitesten außen stand, erhielt die ersten Treffer. In der Zentrale der Destiny konnte man auf den Schirmen erkennen, wie Teile der Aussenhaut des Schwesterschiffes dunkelrot aufglühten und sich dann einfach auflösten. Ein einzelner Treffer war sicher nicht lebensbedrohlich für die Riesenschiffe, aber lange würden auch die 750 Meter Giganten nicht standhalten. Jörg stand mit verkniffenen Augen vor dem Monitor und schwankte zwischen Bangen und Hoffen. Markus Landgraf kam zu ihm. „Wie orten die uns eigentlich?“, fragte er. „Was? Ach so, mit Radar, so wie wir sie auch, warum?“ Jörg wusste nicht recht was Markus von ihm wollte. „Und wo ist ihr Antrieb?“, bohrte Markus scheinbar seelenruhig weiter. „Na hinten in der Gondel am Ende des Gittermastes!“, antwortete Jörg gereizt, „worauf willst du eigentlich hinaus?“ Markus ließ sich nicht beirren. „Und was können die demnach nicht orten, das aber ihre Antriebe zerstören könnte?“ „Mann hör auf mit der Rätselsendung! Das ist echt nicht der passende Augenblick, also sag schon....“, Jörg brach abrupt ab und schlug sich vor die Stirn. „Richtig! Unsere alte Mars Discovery! Die taucht auf keinem Radarschirm auf.“ „Und hat ein paar nette Railguns samt Munition an Bord.“, ergänzte Markus. Das erste Marsschiff war damals so entwickelt worden, dass es nur schwer zu orten war. Später war die Doppelhülle so modifiziert worden, dass eine Ortung durch Radar praktisch ausgeschlossen werden konnte. „Heike, Nataliya, Pascal, Josh, Jaqueline! Schnell, zum Hangar. Wir braten den Pfeifen mit unserer alten Mühle die Ärsche ab!“, rief Jörg durch die Zentrale. Die anderen sahen ihn zunächst verständnislos an, dann hellte sich ein Gesicht nach dem anderen auf. Jörg übergab das Kommando an Bob Zubrin und stürmte davon. An Bord der Mars Discovery nahm jeder seinen gewohnten Platz ein. Die Hangartore glitten auf und die alte, schwarze Lady glitt in ihr Element.

Der Edle Tamro Shak hatte den Sieg klar vor Augen gehabt. Lange würden sich die hässlichen Kugelschiffe der Schuldigen nicht mehr halten können. Aber während der Edle Burlo Tan bei seiner ersten Heldentat auf erbitterten, aber schwachen Widerstand gestoßen war, kämpften die hier wirklich tapfer und klug. Tamros größtes Problem waren die kleinen Beiboote der Schuldigen, die kaum zu treffen, aber schnell und gut bewaffnet waren. Davon waren gerade 64 weitere aufgetaucht und griffen in die Kämpfe ein. Das konnte gefährlich werden. Er sah auf den Panoramamonitor und registrierte zufrieden, dass die kleine Kugel gerade wieder einen Treffer kassiert hatte. Tamro ließ das Bild heran zoomen, um die Wirkung des Treffers besser begutachten zu können, als sich die Tamro-1 plötzlich schüttelte und die Szene auf dem Hauptmonitor nach unten wegzudriften schien.

Nataliya lenkte die Mars Dicovery auf das erste Feindschiff zu. Niemand nahm Notiz von dem kleinen Raumfahrzeug. Markus richtete die Railgun auf die vermeintliche Antriebsgondel des Gegners und schoss eine Granate auf die Verbindungsstelle zwischen der Gondel und dem Gittermast. Der Antrieb knickte einfach weg, worauf das riesige Schiff ins Trudeln geriet. „Sauber Markus, los Nataliya, knöpfen wir uns den nächsten vor!“, rief Jörg begeistert.

Tamro gab eilige Befehle das Schiff wieder auszurichten. Ein Blick auf die Kommandokontrollen sagte ihm jedoch schnell, dass der Antrieb ganz einfach nicht mehr da war. Eilig schlug er auf den Rundruf „Hier spricht der Edle Tamro Shak. Sofort das Schiff räumen! An alle Stationen: Schiff sofort räumen!“ Auf der Tamro-1 hetzte die Besatzung zu ihren Raumanzügen und dann zu den Notschleusen. Im All zündeten sie ihre Anzugtornister und hielten auf das Peilsignal ihres Kommandanten zu. Tamro sendete derweil einen Notruf, damit das nächste Schiff die Besatzung aufnahm. Anstatt die erhoffte Bestätigung zu erhalten, hörte er jedoch nur Meldungen, dass ein Schiff nach dem anderen seinen Antrieb verlor. Die Rettung kam in Gestalt der Staffel des Edlen Creno, der in einem halsbrecherischen Manöver herangerast kam und die Schuldigen mit einem Trommelfeuer aus allen Waffen abdrängte. In Tamros Helmfunk war inzwischen ein wildes Durcheinander aus Notrufen von ausgestiegenen Besatzungen zu hören. Die intakten Schiffe konzentrierten sich nun nicht mehr darauf die Schuldigen zu attackieren, sondern sicherten eine Linie, damit die Rettungsmaßnahmen ungestört stattfinden konnten.

Der Beschuss durch die Fremden hörte abrupt auf. Stattdessen zogen sie sich auf eine Linie zwischen ihren manövrierunfähigen Einheiten und den Marsschiffen zurück. Bob Zubrin gab den Befehl alle Jäger auf die Position der Destiny zurückzuziehen, wodurch die Raumschlacht zum Erliegen kam. Die Mars Discovery zog sich ebenfalls zurück, nachdem man 13 gegnerische Einheiten bewegungsunfähig gemacht hatte. Jörg flog mit seinen Leuten ganz gemütlich durch die feindliche Formation. „Himmel, seht euch diesen Schrottplatz an!“, sagte er mehr zu sich selbst, als er auf den Hauptmonitor sah. Die Wracks von Raumjägern und Feindschiffen trieben umher. Als sie sich der Destiny näherten, wurden die Schäden, die das Flaggschiff der Andromeda-Expedition davongetragen hatte deutlich sichtbar. Am schlimmsten hatte es die Perry Rhodan erwischt. Kurz bevor Jörg in den Hangar der Destiny einflog, traf die Verstärkung vom Mars ein. Von dort waren eilends 16 Kugelschiffe verschiedener Klassen gestartet, die jetzt den Rückzug ihrer angeschlagenen Kameraden decken sollten. Die Fremden zogen sich ebenfalls zurück, worüber große Erleichterung herrschte.

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